Innovation: Es werden zu wenig Fragen in Unternehmen gestellt!9 | 04 | 21
Innovationen können viele Gestalten annehmen. Doch egal, ob es sich dabei um neue Produkte, neue Prozesse oder neue Vertriebswege handelt – sie treiben Unternehmen voran und sichern ihnen Wettbewerbsvorteile. Doch um eine Unternehmenskultur entstehen zu lassen, die Innovationen hervorbringt, müssen Handlungsspielräume geschaffen und Mitarbeiter zum neu denken motiviert werden. Das scheitert leider nicht selten an Führungskräften und der Angst vor Fragen.
Führungskräfte haben anscheinend die Annahme, etwas schnell und spontan entscheiden zu müssen und nehmen sich oft genug nicht die Zeit, etwas zu hinterfragen und Zusammenhänge zu erkunden. Karrieren scheinen von schnellen Antworten abzuhängen, denn diese verkörpern in den Köpfen vieler immer noch Stärke, Durchsetzungskraft und Lösungsorientiertheit. Dabei liegen genau hier Risiken. Silo-Denken und nicht beachtete, im Organisationssystem liegende, Stolpersteine und Faktoren sowie indirekt wirkende Prozesse werden dabei nicht berücksichtigt.
Handlungsdruck kann auch durch eine paradoxe Verantwortungsanweisung entstehen. Hier entsteht ein Dilemma zwischen Funktionsträgern von Hierarchieebenen. Es wird von Ihnen erwartet, dass schnell etwas entschieden wird. Wenn die Entscheidung dann gefallen ist, war es doch nicht der gedachte Entscheidungs- und Handlungsspielraum aus der Sicht der nächst höheren Führungskraft. Fragen Sie beim nächsten Mal nach, erhalten Sie womöglich die Aussage: „Kommen Sie doch nicht mit jedem Kleinkram und fragen“. Betroffen von einer solchen Problematik sind in der Regel Führungskräfte der unteren und mittleren Führungsebene. Und selbstverständlich auch Qualitäter! Oft genug wird dieses Dilemma zur persönlichen Konfliktsituation, wenn keine unangenehmen Fragen gestellt werden „dürfen“. Also Fragen zur grundsätzlichen Befugnis oder gar eine Vertrauensfrage. Hier nicht klärende Fragen zu stellen, verschärft das Dilemma.
Denn tatsächlich machen gerade Fragen und die passenden Werkzeuge aus dem Qualitätsmanagement den Weg für Lösungsmöglichkeiten und Innovationen frei. Sorgen dafür, dass nicht schon Antworten gefunden werden, wo es noch gar keine Frage gab. Und Maßnahmen beschlossen werden, ohne wirklich nach Ursachen zu forschen. Dass Gründe gefunden werden, die jedoch keine im System liegenden Zusammenhänge herstellen. Oder das Syndrom „Weitermachen wie bisher“ den Alltag beherrscht.
Gründe, aus denen es nützlich sein kann, unangenehme Fragen zu stellen:
- Unangenehme Fragen schubsen aus Gewohnheit und Bequemlichkeit heraus und lösen den Klebstoff der Komfortzone.
- Besteht ein drängendes Bedürfnis zur Harmonie (in der es übrigens kaum je eine wirkliche Weiterentwicklung oder Innovation geben kann), sammeln sich die ungeklärten Fragen, Annahmen und Gedanken-Konstrukte als Beulen unter dem Teppich. Irgendwer stolpert dann darüber.
- Sinnhaftigkeit braucht Fragen! (Das WARUM des aktuellen Denkens, Fühlens, Handelns wird klarer!)
- Die Lösungssuche zu Problemen erfolgt über (unangenehme) Fragen.
Und wozu das alles? Was kann dadurch besser sein? Und was ist eigentlich das Ziel?
- Ein nachhaltig erfolgreiches Unternehmen.
- Den Fachkräftemangel durch ein Marketing von Innen bewältigen. Eine Fragen-Kultur zeugt von Offenheit.
- Mitarbeitende sind Qualitäter und denken für das Unternehmen.
- QM-Bürokratie wird durch Sinnhaftigkeit abgelöst.
Als Dozentin oder in Workshops fordere ich kontinuierlich zum Fragen auf. Und oft genug bin ich irritiert, weil es scheinbar keine Fragen gibt. Und das nicht, weil es verstanden wurde, sondern weil das Hinterfragen, das Durchleuchten einer Situation oder eines Themas so ungewohnt ist. Im bestehenden Schulsystem ist das (kritische und konstruktive) Hinterfragen eher nicht vorgesehen. Es wird sukzessive ausgetrieben. Denken und Lernen in Zusammenhängen, Hinterfragen nach dem Nutzen des verabreichten Wissens findet kaum oder nicht statt. Neben anderen Kompetenzen wäre also das Fragenlernen erstrebenswert. In Ausbildungen sollte es unterstützt werden. Wenn Azubis mit möglicherweise frischem Wissen in einen Betrieb kommen, gleichen Sie das theoretische Wissen mit dem ab, was sie vorfinden. Bei Fragen zu den bestehenden Unterschieden erhalten sie oftmals unbefriedigende Antworten: „Theorie ist das Eine, Praxis das Andere!“, „Das machen wir schon immer so!“, „Frag nicht, mach einfach!“. Dabei ist diese immer wieder stattfindende Situation eine gute Übung für Betriebe sich selbst wieder in Prozessen und Regularien zu hinterfragen.
Die unangenehmen Fragen helfen, ein WARUM mit anschließenden Lösungen zu finden. Und danach geht es an Strukturen und Prozesse.
„Och neee!“ Höre ich da. „Klingt anstrengend!“ Höre ich da. „Was das wieder kostet!“ Höre ich da.
Unbequeme Fragen schubsen aus der gewohnten Komfortzone. Da wird es schon mal unbequem.
Und in Bezug auf Kosten: Versuchen Sie doch mal zu erfassen, was es kostet, keine Fragen zu stellen und so weiter zu machen wie bisher (in finanziellem direkten Aufwand, Zeit, Energie, Nerven). Zu den Qualitätskosten können Sie zählen:
- Fehl- und Blindleistung
- Fluktuation und Krankenstände
- Qualitätsmängel
- stummer Widerstand, wenig Compliance
- stagnierende Entwicklung
- Formalbürokratie statt Engagement mit sinnhaften akzeptierten Regeln
- Wissen und Kompetenz liegt in wenigen Händen/Köpfen
Es ist keine Führungsschwäche, Fragen zu stellen oder Fragen zuzulassen. Es zeugt von der Bereitschaft, Lern- und Entwicklungsräume zu gestalten. Wissen und die entsprechende Haltung braucht es aber schon dazu. Und dann hat Innovation auch den nötigen Raum.
Comments are closed.