Gefahrenstellen in der nachgelagerten Lieferkette28 | 01 | 20

Ich prüfe bei jedem Gebrauchsgegenstand vor dem Kauf, ob der Preisaufkleber abgeht – und das nicht, weil ich von Natur aus so bin. Nein, ich wurde von einem kleinen, klappbaren und sehr hübschen Handspiegel so erzogen. Glücklich erworben, versuchte ich zu Hause den Preisaufkleber, der direkt auf dem glänzenden Stück prangte, vorsichtig zu entfernen. Da löste sich aber nur das Papier und der Kleber zeigte sich von seiner gemeinen Seite. Pril, Viss, Zitrone und allerlei Hausmittelchen halfen hier nicht und mein Grad der Verzweiflung wuchs. Ärger kam auf, als der bunte Farblack nun auch schon deutliche Rubbel-Spuren zeigte, die Stelle aber immer noch eklig klebte und sich sogar vergrößert hat. Von Glanz und Freude keine Spur mehr und am Ende landete das arme Ding ersatzlos im Müll. Seitdem mache ich um Produkte, die den Preisschild-Test nicht bestehen, einen großen Bogen.

Erfüllen Ihre Produkte in einem solchen Fall noch die Erwartungen der Kunden? Wenn der Kunde sich nicht offen beschwert, so trifft er zumindest für sich die Entscheidung, nicht mehr wiederzukommen. Deshalb sollte jedes Unternehmen nicht nur seine Vorlieferanten im Qualitäts-Blick haben, sondern auch die nachgelagerten Beteiligten bis zum Endkunden. Insbesondere, wenn sein Produkt für den C-Kunden erkennbar bleibt und Kunden von nachgelagerten Stellen beraten werden.

Gefahrenstellen lauern überall. In scheinbar kleinen Fehlern, wenn z.B. in diesem Fall die auszeichnende Kraft die Preisaufkleber für Kartonverpackungen falsch auswählt oder es gar keine geeigneten Preisschilder für den direkten Produktkontakt gibt. Vielleicht ist auch der Endkunde das Problem und hat einfach nicht die richtige Löse-Strategie zur Hand.

Gefahr droht auch bei unreflektierten Sparmaßnahmen wie

  • uralte Preisschilder noch aufbrauchen
  • Diebstahl oder Umettikettierung durch besonderen Haftkleber vorbeugen
  • auf Schutzverpackung verzichten

Aus der Sicht eines Lean Managers sind das wunderbare Potenziale, Verschwendung zu vermeiden, die sich allerdings verheerend auf das Produkt auswirken können.

Falls Sie solche Gefahrenstellen vermuten oder kennen, zögern Sie nicht, methodisch vorzugehen. Um zu erkennen, was der Kunde am Ende erhält, hilft ein Produktaudit von B2C oder in der Gebrauchsphase. Dienstleister können ebenfalls ein Audit von Serviceleistungen zum Endkunden durchführen. Mystery Shopping ist in diesen Branchen das Zauberwort. Als vorbeugendes Instrument hilft z.B. eine FMEA in der nachgelagerten Lieferkette. Obacht ist insbesondere angesagt, wenn sich in Ihrer nachgelagerten Lieferkette große Fans von Lean Management finden.

Welche Lerneffekte oder vorbeugende Maßnahmen haben Sie schon in Ihrer nachgelagerten Lieferkette verortet? Haken Sie nach? Lassen Sie uns an Ihren Beispielen teilhaben.

Über die Autorin: Claudia Nauta

Claudia Nauta, geb. 1969 in Herten/Westf., ist seit 2004 bei der DGQ in der Weiterbildung beschäftigt. Sie verantwortet dort die Trainings zu Umwelt-, Energie-, Arbeitsschutzmanagementsystemen, Prozessmanagement und Audits. Die Anwendung der ISO-Normen hat sie vorab in der Beratung und in Stabstellenfunktion von der Pike auf gelernt und nebenberuflich als Auditorin in der Zertifizierung sowie als EFQM-Assessorin verfeinert. Die Erfahrungen mit Managementsystemen aus unterschiedlichsten Branchen kombiniert sie in der Weiterbildung mit erwachsenenpädagogischen Konzepten.

4 Kommentare bei “Gefahrenstellen in der nachgelagerten Lieferkette”

  1. 150e46822189d3af91e5e89b8ff46e02 Georg Kammerer sagt:

    Hallo Frau Nauta,
    Schade um den Spiegel, ohne das ich die Details des Klebers kenne: Waschbenzin hilft in der Regel.

    1. 42aae793514dd2b02129b0bf48ee3dd1 Claudia Nauta sagt:

      Lieber Herr Kammerer,
      das hatte ich mich nicht getraut, obwohl verfügbar. Vielleicht verfügte der Handspiegel tatsächlich über eine kraftstoffbeständige Lackierung.
      Meine Preisschildphobie bleibt allerdings angesichts der potenziellen Lösung ebenfalls beständig 🙂
      Viele Grüße

  2. Hallo Frau Nauta,

    vielen Dank für den spannenden Beitrag. Wir sind im Bereich Social Media Monitoring aktiv und erleben dieses Phänomen regelmäßig. Viele B2B-Unternehmen beschäftigen sich nicht oder nur geringfügig damit, wie ihr Produkt beim Endkunden ankommt. Somit erfährt das Unternehmen nicht oder erst deutlich verzögert durch seinen B2B-Kunden, dass es Probleme mit dem Endprodukt gibt. Eine Reaktion erfolgt daher oftmals viel zu spät.

    Doch einige B2B-Unternehmen denken mittlerweile um und wollen ein besseres Bild davon bekommen, was dem Endkunden gefällt und was nicht. So ist man in der Lage frühzeitig und proaktiv seine Produkte auf den Bedarf desjenigen auszurichten, der es am Ende der Kette nutzt.

    Es ist schön zu sehen, dass hier ein Umdenken stattfindet, ihr Artikel liefert dazu auch noch einmal einen kleinen Anschub.

    Viele Grüße

    Jan Kukulies

    1. 740ccb4a5d48d4bef9b66fb85da93b4f Claudia Nauta sagt:

      Hallo Herr Dr. Kukulies,
      danke für Ihre Rückmeldung. Es gibt heute – gerade mittels digitaler Medien – sicher gute und unkomplizierte Wege, die Erwartung der Endkunden bzw. Nutzer ungefiltert zu kennen und sich nicht ausschließlich auf die stille Post durch die Lieferkette zu verlassen.
      Beste Grüße

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