Darf ich Sie ‘mal ‘was fragen – Wie sieht Ihr Neues Normal aus?24 | 08 | 22

Ständig entstehen neue Begriffe, manchmal bleiben sie, zumindest für eine Weile. Das Neue Normal, „New Normal“, ist so ein Begriff. Der Begriff ist allerdings viel älter als die Pandemie, wie der Sprachwissenschaftler Clemens Knobloch im Blog „Diskursmonitor“ darlegt. Aufgefallen ist mir der Begriff erst im letzten Jahr. Gehört er inzwischen auch zu Ihrem Arbeitsalltag? Das Neue Normal ist Schreckens- und Sehnsuchtsbegriff. Er wischt das Alte weg und verspricht erneute Sicherheit. Er klingt nach Nachhaltigkeit, doch jedes neue Normal kann ja jederzeit durch ein noch neueres Normal abgelöst werden. Als die Pandemie normal zu werden bzw. ihr erwartetes oder ersehntes Ende sich abzuzeichnen begann, überfiel Russland die Ukraine. Ist seitdem, seit einem halben Jahr und ohne Aussicht auf Frieden, das Neue Normal, dass mitten in Europa Städte täglich mit Raketen und Granaten beschossen werden? Schrumpft der Rhein jetzt jeden Sommer zum nicht mehr schiffbaren Rinnsal? Schluss jetzt, ich will im Blog nicht zu dystopisch werden.

Schauen wir ins Unternehmen. Was ist dort Ihr Neues Normal? Sind ihre Besprechungen inzwischen überwiegend digital? Ist das Remote Audit Routine? Haben Sie Ihre Prozesse oder gar Ihr Geschäftsmodell noch weiter digitalisiert? Hat das Unternehmen wieder Vorräte angelegt?

Zu welchen Verbesserungen, Errungenschaften und Innovationen haben die extremen Herausforderungen der letzten Jahre Sie, Ihre Teams und Ihr Unternehmen angespornt? Sind Sie bzw. ist Ihr Unternehmen krisenfester geworden? Was haben wir verloren, das gut und erhaltenswert war? Wovon haben wir uns endlich trennen können? Was müssen wir noch erreichen, was fehlt noch oder neuerdings? Ist im Geschäft nicht inzwischen das Unnormale normal? Ist Normalität unnormal? Sind wir besser und schneller darin geworden, Veränderungen zu meistern? Sind wir agiler, adaptiver, flexibler, resilienter geworden? Oder macht uns das Neue Normal behäbig?

Hinterher haben es viele schon vorher gewusst. Es gibt noch viel aufzuarbeiten, doch ist unser Fokus wieder nach vorn gerichtet? Schauen wir aufmerksam genug auf sich abzeichnende neue Herausforderungen und Entwicklungen? Werden wir aufs Neue in der Lage sein, mit und vor allem auch ohne gespürten externen Druck, Veränderungen und Innovationen voranzutreiben?

Wie sieht es also aus, Ihr Neues Normal? Und welches Neueste Normal beginnt sich darüber hinaus abzuzeichnen?

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.

5 Kommentare bei “Darf ich Sie ‘mal ‘was fragen – Wie sieht Ihr Neues Normal aus?”

  1. 691f79bcb9d73f35db3d2f2444155d15 Ralf Hubert sagt:

    Ich persönlich hoffe, dass wir ein paar grundlegende Dinge gelernt haben oder daraus lernen werden:

    1. Wir sollten uns nie zu sehr von einem Lieferanten, Kunden, Land oder Region abhängig machen. D.h. Konzerne, die z.B. in Europa produzieren und mehr als 30% ihres Umsatzes im asiatischen Raum haben, sind für mich keine Unternehmen, die besonders nachhaltig agieren (Logistik – Schadstoffe – Umwelt) und ein großes Risiko eingehen.

    2. Wir sollten als Region autark handeln können; d.h. alles, was wir zum Leben und zur Aufrechterhaltung unseres Lebensbräuchen, sollten wir auch in Europa herstellen können und entsprechende kurze Lieferwagen besitzen (z.B. Medikamente, Masken, Chips)

    3. Die Punkte 1 + 2 sind wichtiger als die Erreichung von stets neuen Rekordumsätzen und Gewinnen.

    4. „Quality ist Speed“ Stimmt das noch? Oder ist das ein Anzeichen davon, dass wir nicht mehr planen können?

    5. Einige große Unternehmen sind aufgrund massiver Managementfehler in der Vergangenheit in Schieflage geraden, z. B. Lufthansa, Uniper.. Am Ende des Tages hat der gemeine Bürger die Rechnung dafür zu bezahlen. Doch was ist mit den Milliarden-Gewinne aus den vorangegangenen Jahren dieser Unternehmen? Einfach nur die Hand aufhalten und den Staat um Hilfe bitten, wenn es einmal schlecht läuft, das ist keine besondere Managementkunst. Hier können sich auch große Unternehmen ein Beispiel an vielen Kleinstunternehmen nehmen, die mit ihrem ersparten aus vergangenen Jahren die Pandemie und den Krieg meistern. Hut ab, vor diesen Unternehmen, die anscheinend das bessere und nachhaltigere Management.besitzen.

    Allgemein wird sicherlich das Leben etwas teurer. Wir werden uns unserem Wohlstand hoffentlich etwas bewusster. Weniger ist manchmal mehr! Das sollten wir uns meiner Meinung nach immer wieder vor Augen halten.

    Mit freundlichen Grüßen

    1. 12fad89dbfa0bd7577219e8081bbd19e Benedikt Sommerhoff sagt:

      Ich hoffe nur, dass wir uns an das Erlernte auch lange (genug) erinnern. „Wir sollten als Region autark handeln können“ ist für mich ein Schlüsselsatz in Ihrem Beitrag. Eine globale Wirtschaft wird und sollte wohl auch bestehen blieben, aber nicht um den Preis der Minimierung oder des völligen Verlustes von weitreichenden regionalen Autarkien. Am Beispiel Energie lässt sich das gut demonstrieren.

      „…die europäischen Ärmel hochkrempeln…“, ja gerne, bin dabei

      1. 12fad89dbfa0bd7577219e8081bbd19e Benedikt Sommerhoff sagt:

        oh, mit dem letzten Zitat war ich dann schon im Kommentar von Andrea Schrank gelandet

  2. 93d92db6448c5815e0f1ab8d2d3b730d Andrea Schranck sagt:

    Hallo, dem kann ich mich nur anschließen. Ihr vermeintlich neues Normal ist für meine Begriffe wie ein wackeliges Floss auf einer Flussbiegung, der Begriff „Normal“ fast schon zynisch. Halte die Balance oder gehe unter! Das neue Normal – bei einigen auch als „Zeitenwende“ tituliert, beschreibt den Wegfall der bekannten Normale, der Standards mit denen wir jahrzehntelang kalkulieren und auf die wir uns verlassen konnten. Diese Standards brechen mit steigender Geschwindigkeit in allen Lebensbereichen der westlichen Welt zusammen. Ich fürchte dieser Prozess hat schon vor Corona begonnen, wurde für viele aber erst in der Pandemie sichtbar. Heute steht die Versorgungssicherheit im Focus, weniger der BEST PRICE. Zum Glück – kann ich da nur sagen, denn die Marktpolitik der Gewinnoptimierung hat uns von einem sicheren Boot auf das wackelige Floss geschubst. Wenn von Anfang an bei börsennotierten Unternehmen nicht die maximale Ausschüttung an die Aktionäre, sondern eine ethisch und umweltpolitisch korrekte Preispolitik unsere Märkte gelenkt hätte, stünden wir nicht vor diesem riesigen Scherbenhaufen aus Krieg und galoppierendem Klimawandel. Jetzt heißt es die Europäischen Ärmel hochkrempeln!

  3. 12fad89dbfa0bd7577219e8081bbd19e Benedikt Sommerhoff sagt:

    „…die europäischen Ärmel hochkrempeln…“, ja gerne, bin dabei

    Wir müssen selbst immer klar sagen, was wir nicht als normal akzeptieren können, wollen und werden. Allerdings müssen wir auch einkalkulieren, dass es immer auch Menschen geben wird, die extrem egoistisch sind und im Wissen sofortiger und späterer Schäden für die Gemeinschaft jetzt ihren persönlichen Gewinn optimieren. Deswegen sind auch gesetzliche und vertragliche Regelungen so wichtig, die zum Nutzen der Gemeinschaft das egoistische Handeln erschweren, wenn auch nie ganz unterbinden. Leider trägt das zu einer extrem weitreichenden Reglementierung weiter bei, was uns in den Organisationen das Leben auch erschwert.

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