Cyborgs im Unternehmen – Der Einsatz von Smart Glasses18 | 11 | 20

Betreten Sie den Weg der digitalen Transformation und entdecken Sie Einsatzmöglichkeiten, die für Sie von Nutzen sein könnten.

Wenn wir über digitale Transformation und Qualitätsmanagement sprechen, gilt es zu klären, was digitale Transformation bedeutet. Digitale Transformation oder auch digitaler Wandel beschreibt einen Veränderungsprozess. Einen Veränderungsprozess, in dem wir uns bereits befinden und welcher auf digitalen Technologien und Kulturwandel beruht. Die sich daraus ergebenden Potenziale umfassen die gesamte Gesellschaft, die Wirtschaft und das Qualitätsmanagement. Warum ist es wichtig, darauf explizit hinzuweisen? Weil wir beim Einsatz von neuen, digitalen Technologien – beispielsweise in Form von Smart Devices – nicht vernachlässigen dürfen, die Bereitschaft, die Akzeptanz sowie die Kultur für digitale Transformation, für den Einsatz nutzbringender digitaler Technologien zu fördern.

Erweiterte Realitätswahrnehmung

Wenden wir uns einmal den „Smart Devices“ in Form von „Smart Glasses“ zu. Dies sind intelligente Geräte, die wie eine Brille getragen werden. Sie verarbeiten die Umgebung unter anderem audiovisuell und blenden Informationen im Sichtfeld des Nutzers ein. Sie ermöglichen eine sogenannte „augmented“ oder auch „mixed reality“ Erfahrung. „Augmented reality“ steht dabei für die Erweiterung der Realitätswahrnehmung mittels digitaler Technologien, beispielsweise durch Einblendungen in unser Sichtfeld. „Mixed reality“ stellt eine weitergehende Vermischung von physischer und virtueller Welt dar. Sie wird dadurch erzeugt, dass sich beim Nutzer die natürliche mit der computererzeugten Wahrnehmung mischt.

Mit Smart Glasses können dem Nutzer bspw. bei der Bedienung von Geräten gezielt Informationen visuell und audiovisuell übermittelt werden. Durch diese Hinweise lassen sich Prozesseffizienz und Prozessqualität steigern. Darüber hinaus ist es möglich, komplexe Tätigkeiten mittels Streaming zu verfolgen, zu kommentieren und zu dokumentieren. Fehler lassen sich damit vermeiden bzw. zeitnah abstellen.

Verschiedene Anbieter für den Einsatz in Unternehmen

Öffentlichkeitswirksam wurde das Thema „Smart Glasses“ bereits im Jahr 2012 mit der Vorstellung von „Google Glass“. Der Name leitet sich dabei von dem verwendeten Glasprisma ab, welches Informationen in das Sichtfeld des Nutzers einblendet. Datenschutzrechtliche Bedenken in der Öffentlichkeit führten trotz hohem Interesse an der Technik jedoch dazu, dass Google die Explorer Edition wieder vom ursprünglich anvisierten Konsumentenmarkt genommen hat. Stattdessen wurde der Schwerpunkt erfolgreich auf die Weiterentwicklung und den Einsatz im industriellen Bereich gelegt. Seit 2019 steht die Google Glass Enterprise Edition 2 industriellen Anwendern zur Verfügung.

Microsoft hat sich ebenfalls mit Smart Glasses beschäftigt. Nachdem die erste Version der sogenannten Microsoft HoloLens 2016 vorgestellt wurde, ist seit 2019 die Microsoft HoloLens 2 auf dem industriellen Markt. Technisch hat der Hersteller im Gegensatz zu Google Glass einen etwas anderen Weg beschritten. Als Betriebssystem wird nicht Android, sondern Microsoft Holographic OS verwendet. Der Nutzer blickt durch transparente Linsen, die durch Wellenleitertechnologie eine Überlagerung mit computergenerierten Bildern ermöglichen. Geboten wird damit eine „Mixed Reality“-Erfahrung mit interaktiver 3D Projektion und zusätzlich 3D Audio. Die HoloLens erlaubt es dem Nutzer damit, holographische Projektionen in unmittelbarer Umgebung zu sehen und mit diesen zu interagieren.

Darüber hinaus gibt es weitere namhafte Anbieter (z.B. RealWear, Vuzix), die Smart Glasses für den Einsatz im Unternehmen anbieten und beispielsweise die Anwendung auch in rauer Umgebung ermöglichen.

Anwendungsbeispiele für Smart Glasses

Eine digitale Unterstützung von Fertigungsmitarbeitern bei der Firma Weidmüller erfolgt beispielsweise dadurch, dass kontextsensitive Informationen mit Hilfe von Smart Glasses bereitgestellt werden. Dies geschieht, ohne die Bewegungsfreiheit der Mitarbeiter einzuschränken. Anweisungen werden audiovisuell übermittelt und Qualitätssicherungs-, Rüst-, Wartungs- sowie Schulungsaufgaben unterstützt.

Datenbrillen werden im Lager bei Doc Morris für effiziente und fehlerfreie Kommissionierabläufe eingesetzt. Das Ergebnis war positives Feedback der Mitarbeiter, welche über eine deutliche Erleichterung der Arbeit, verbesserte Ergonomie und einfachere Informationsbereitstellung berichteten.

Bei Audi werden erstellte Augmented-Reality-Inhalte und Smart Glasses unter anderem für Schulungs- und Qualitätssicherungsaufgaben genutzt. Virtuelle Prüfpläne lassen sich ohne große Programmierkenntnisse erstellen und visuelle Prüfabläufe trainieren.

Smart Glasses lassen sich auch für Remote-Audits und Assessments nutzen. Was wie eine Vision wirkt, ist durchaus praktikabel. So wurden bei Siemens sowohl im QM- als auch im EHS-Bereich erfolgreich Audits, Begehungen und Re-Zertifizierungen mittels Hilfe von Datenbrillen remote durchgeführt.

Vorteile für den QM-und-QS-Bereich

Folgende Anwendungsbereiche von Smart Glasses lassen sich auf den ersten Blick im QM- und-QS-Bereich erkennen und mit der Zeit sicher erweitern:

  • Einfache Bereitstellung qualitätsrelevanter Informationen
  • Fehlervermeidung durch audiovisuelle Unterstützung
  • Verbesserte Ergonomie
  • Effizienzsteigerung von Prozessen
  • Audiovisuelle Dokumentation
  • Fehleridentifikation durch Abgleich der Realität mit 3D-Modellen
  • Audiovisuelle Unterstützung und Dokumentation von Root-Cause-Analysen
  • Virtuelle Inspektionen, Audits und Begehungen

Tipps für die Einführung

Für die Implementierung lassen sich folgende Empfehlungen geben:

  1. Planungs- und Einführungsaufwand sowie datenschutzrechtliche Themen sollten explizit im Vorfeld der Einführung berücksichtigt werden.
  2. Die für die geplanten Zwecke passende Hardware und Software ist mit Bedacht auszuwählen.
  3. Einem Rollout in der Breite sollte unbedingt eine Pilotphase vorhergehen und der jeweilige Einsatz ausreichend getestet werden.

Aufgrund des überschaubaren Investitionsvolumens bietet sich die Beschaffung eines geeigneten Gerätes an, um erste Erfahrungen zu sammeln und durch sinnvoll geplante weitere Einsätze von „augmented reality“ im Qualitätsmanagement und in der Qualitätssicherung zusätzlichen Nutzen für das Unternehmen zu generieren.

 

Die Inhalte dieses Beitrags entstammen dem Vortrag „Cyborgs in der Produktion? – Einsatzmöglichkeiten für Smart Devices“, den Dr. Griga beim ersten DGQ-Thementag Digitalisierung gehalten hat.

Über den Autor: Wilhelm Griga

Dr. Wilhelm Griga ist Senior Quality Manager bei der Siemens AG, Digital Industries mit dem Fokus Organisationsentwicklung, digitale Transformation, agiles Managementsystem, nachhaltiges Non-Conformance Management und modernes Audit Management. Er verfügt über funktionsübergreifende, internationale Personalführungserfahrung und ist Hochschuldozent für Business Excellence.

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