Vergessen Sie’s! – die Idee vom Idealzustand24 | 09 | 20
„Entscheidet Euch doch endlich!“, wollen wir den Leitungen oft zurufen. Für Zentralisierung oder Dezentralisierung, für Outsourcing oder Insourcing, für diese oder jene Prozesslandschaft, für oder gegen die Zertifizierung usw. Denn vor drei Jahren haben wir doch erst zentralisiert, weil ihr sagtet, die Dezentralisierung hat zu viele Nachteile. Und nun wieder zurück zur Dezentralisierung?
Es gibt keinen Idealzustand. Für nichts in der Organisation. Alles hat Vor- und Nachteile. Aber manchmal kippt deren Verhältnis schleichend oder sprunghaft. Die Vorteile der Zentralisierung wie gemeinsame Standards und die Vermeidung von Doppelarbeit treten in den Hintergrund und wir leiden zunehmend am Mangel dezentraler Flexibilität, am Wachsen der zentralen Wasserköpfe, an der Langsamkeit von Entscheidungen. Also dezentralisieren wir (wieder), reduzieren damit die anwachsenden Nachteile. An den Standorten ist jetzt wieder neue Energie, man nimmt vieles wieder in die eigene Hand, gewinnt Agilität, beschleunigt Entscheidungen, setzt individuell maßgeschneiderte Konzepte um. Doch so nach und nach erschöpfen sich diese Vorteile und die Nachteile werden gewichtiger. Immer mehr driftet auseinander, es entstehen immer mehr inkompatible Speziallösungen, Doppelarbeit nimmt zu, die Kompatibilität sinkt, und, und, und…
Dieses Pulsieren ist die Normalität, nicht die Stabilität. Ein Optimum, eine ideale Aufstellung, das ideale Managementsystem, die ideale Prozesslandschaft erreiche ich in der Organisation nur temporär, nicht dauerhaft. Selbst wenn sich mein Ökosystem, mein Umfeld der Organisation nicht verändern würde, gäbe es dieses Pulsieren, dieses Abschwächen von Vorteilen und Anwachsen von Nachteilen, bis ein Kipppunkt überschritten wird. Eben weil Nachteile mit der Zeit zum Wachsen neigen und sich Vorteile erschöpfen.
Als Führungskräfte, Managementsystemgestalter und Organisationsentwickler müssen wir das erkennen, akzeptieren und damit umgehen. Es ist unsere Verantwortung, gemeinsam mit den anderen Führungskräften vor dem Kippen zu agieren, ein kluges Pulsieren zu managen. Dazu gehört auch, dieses Phänomen Mitarbeitern erklären zu können und deren Unverständnis für ein Hü und Hott nicht durch unseren Frust über gewachsenen Arbeitsaufwand in den Wechselphasen zu verstärken. Es gehört halt zum Job als Qualitätsmanagerin oder Qualitätsmanager, den Zusatzaufwand eines Systemwechsels immer wieder zu leisten.
Wie sieht es bei Ihnen aus: in welche Richtung schlägt das Pendel gerade? Welche Systemwechsel stehen bevor? Und wie gehen Sie damit um?
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