Scheitern lernen13 | 09 | 16
„Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better.“ Samuel Beckett bringt es großartig auf den Punkt. Unsere berufliche und gesellschaftliche Realität in Deutschland sieht völlig anders aus. Scheitern ist stigmatisiert, immerwährender Erfolg ist die akzeptierte gesellschaftliche Währung für eine hohe soziale Stellung. Gescheiterte grenzen wir aus. Bekannt ist, dass zwar ein gescheiterter deutscher Gründer kein Bein mehr auf den Boden bekommt, Gründer in den USA jedoch eine zweite, dritte und siebte Chance erhalten, sowohl bei Investoren als auch in der Gesellschaft. Wir kennen diese amerikanische Kultur, finden sie auch irgendwie gut, zumal, seit wir fasziniert auf das Silicon Valley schauen – und verhalten uns jedoch in Deutschland keinen Deut versöhnlicher gegenüber Gescheiterten und dem Scheitern.
Scheitern im kleinen Stil – aus Fehlern lernen
Doch es gibt ja auch das Scheitern im Kleinen, die kleinen Rückschläge und Misserfolge. Die sind nicht so gravierend wie das Scheitern eines Start-ups oder eines lang etablierten Unternehmens. In den meisten Unternehmen sind sie tunlichst zu vertuschen, um sich selbst nicht zu gefährden. Und dann fragen wir uns, wie wir es hinbekommen, aus dem kleinen Bruder des Scheiterns, dem Fehler zu lernen.
In vielen Unternehmen ist Fehlerkultur ein großes Thema, streben Manager und Qualitätsmanager an, diese zu verbessern. Sie verlangen von den Mitarbeitern mehr Offenheit im Umgang mit deren Fehlern. Das sind dann oft dieselben Führungskräfte, die selbst auf keinen Fall ihr manchmal für alle Mitarbeiter ihre Fehler jemals als solche eingestehen. Die ihre bewundernswerte und hervorragend trainierte Eloquenz dazu einsetzen, einen eigenen Fehler schönzureden, aus einem mittelmäßigen Ergebnis einen großen Erfolg zu fabulieren, aus einem Scheitern noch einen moderaten Erfolg.
Offen über Fehler sprechen
Johannes Haushofer, Professor in Princeton, hatte von kurzem einen Lebenslauf seiner Misserfolge veröffentlich.(s. Interview: http://www.zeit.de/campus/2016-05/cv-of-failures-johannes-haushofer-professor-princeton-scheitern). Die Reaktionen darauf sind sehr interessant. Er hat viel Zustimmung erfahren und natürlich auch Häme, denn er ist ja gar kein wirklich Gescheiterter, ihm ist ja viel gelungen. Er ist also ein im Scheitern Gescheiterter.
Seit längerer Zeit schon bringt das Wirtschaftsmagazin „impulse“ eine Reihe über Fehler, in der Unternehmer selbst über ihre größten Fehler sprechen (siehe https://www.impulse.de/serie/online-serie-aus-fehlern-lernen). Das ist ein großartiges Signal und bietet viel Stoff zum Nachdenken.
(Nicht) Scheitern ist oft Glückssache
Einige Gescheiterte haben aus ihrem Scheitern so viel gelernt, dass sie ganz wertvolle Kompetenzen gewonnen haben, die sie dazu nützen könnten, ein Projekt oder ein Unternehmen vor dem erneuten Scheitern zu bewahren. Wenn man sie denn nur ließe. Denn viele verlassen sich lieber auf Manager und Berater, die wirklich oder vermeintlich nie gescheitert sind und damit als die Besseren gelten. Machen wir uns nichts vor, viele Führungskräfte in hohen Positionen haben in ihrer Karriere ganz viel Glück gehabt. Sie sind nicht aufgrund selbst geschaffener Einflüsse und Rahmenbedingungen so weit gekommen, sondern weil sie zur rechten Zeit am rechten Ort waren. Der Verhaltensforscher Chengwei Liu von der Universität Warwick hat sich intensiv damit befasst und macht den (für CEOs) allergieauslösenden Vorschlag, aus einem Pool der Besten die CEOs auszulosen (siehe Interview: http://www.harvardbusinessmanager.de/blogs/erfolg-im-management-ist-oft-pures-glueck-a-1099150.html.
Wir müssen auf Best, Good und Worst Practice bei uns und anderen schauen
Ich bin es selbst oft leid, immer die Best Practice Beispiele gezeigt zu bekommen, zu denen hin es oft ein so langer Weg ist, dass man erst gar keine Lust hat, aufzubrechen. Best Practice bedeutet zu oft, einer hervorragenden Regionalligamannschaft mit viel Potenzial ausschließlich Championsleague-Gewinner und Weltmeistermannschaften als Beispiele anzudienen. Das frustriert oft mehr, als es nutzt. Ähnlich ist es mit den ganzen Excellence Award Gewinnern, die uns als Leuchttürme präsentiert werden. Ja, schön zu sehen, aber für uns jetzt nicht der Maßstab. Wir machen unseren Weg schon, müssen uns aber an Zwischenzielen orientieren. Natürlich ist Best Practice oder Good Practice didaktisch wertvoll und kann inspirierend sein und die Ambition schärfen. Aber wieviel mehr könnten wir aus Fehlern, dem Scheitern und von Worst Practice lernen. Von der Ehrlichkeit, wirklich einmal Tacheles zu reden, wie und warum etwas nicht funktioniert und was man stattdessen nun anders machen würde.
Im QM müssen wir über unseren Tellerrand schauen, müssen auf Best, Good und Worst Practice bei uns und anderen schauen. Und wir müssen uns ohnehin schon mit Fehlern, ihrem Entstehen, ihrer Korrektur und dem Abstellen ihrer Ursachen befassen.
Ich würde deshalb gerne einmal einen Worst Practice-Austausch bei der DGQ organisieren. Wer wäre dabei?
Scheitern Sie mit Stil und machen Sie etwas daraus!
Ihr
Benedikt Sommerhoff
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