Mit LEAN Management zum schlanken Unternehmen3 | 03 | 16
LEAN Management – was ist das eigentlich?
Unter dem Etikett LEAN werden verschiedene Ansätze und Denkschulen vermarktet. Von einzelnen Werkzeugen über Methodenansätze bis hin zu Produktionssystemen mit eigenem Mindset findet sich die Bezeichnung LEAN. Der gemeinsame Nenner: Punktqualitätsverbesserung und Effizienzsteigerung innerhalb nur eines Prozesses sind bei seriöser Betrachtung eher nicht gemeint.
Den Begriff LEAN haben James Womack, Daniel Jones und Daniel Roos geprägt, die am MIT (Massachusetts Institute of Technology) 1987 eine Untersuchung über die weltweite Autoindustrie auswerteten und 1990 „The machine, that changed the world – the story of lean production“ veröffentlichten. Der deutsche Titel „Die zweite Revolution in der Autoindustrie“ macht die Abgrenzung zum Fordismus deutlich, der neben Skaleneffekten hohe Bestände und Inflexibilität hervorgebracht hat. Da die Untersuchung auf Toyota fokussierte, wird seither auch vom Toyota Produktionssystem gesprochen (TPS, von vielen Unternehmen adaptiert als EigenmarkePS). Die wörtliche Übersetzung von LEAN leitet oft fehl, daher ist der Begriff weltweit als Fachbegriff im Original erhalten. LEAN Management meint nicht schlankes Management, sondern Leiten und Lenken hin zum schlanken Unternehmen, im Sinne von Bestands- und Verschwendungsvermeidung, hin zu möglichst hoher Wertschöpfung.
Fünf Leitlinien von LEAN
Womack, Jones und Roos haben fünf Kernaspekte von LEAN Management definiert. Sie bilden die Leitlinien dafür, entlang derer bestehende Systeme überprüft, Verschwendungen reduziert und der Grad der Wertschöpfung gesteigert werden können.
1) Wertschöpfung definieren
Die Anforderungen der Kunden hinsichtlich Spezifikation, Logistik und Preise sind der Ausgangspunkt für alle unternehmerischen Betrachtungen im LEAN-Konzept von Wirtschaftlichkeit. Ein wichtiger Schritt ist es daher, zu überprüfen, wie das Produkt aussehen muss, damit es die Bedürfnisse des Kunden exakt erfüllt.
2) Wertstrom erkennen
Die Ausrichtung aller Prozesse in der Organisation auf den Wertzuwachs aus Kundensicht erfordert eine präzise Analyse. Welche Prozessschritte sind wertsteigernd und wirksam, welche nur Betriebsnotwendigkeiten, welche können vermieden werden? Vermeidbare Aufwände gelten als Unwirksamkeit, japanisch: Muda, deutsch (meist aber wohl nicht ganz treffend): Verschwendung. (Verschwendung könnte man durch Einsparungen vermeiden – Unwirksamkeit nicht).
3) Flow – Fluss-Prinzip umsetzen
Hier meint der Fluß mehr als nur fordsche Fließfertigung. Beim Flußprinzip geht es darum, die wertschöpfenden Schritte so zu organisieren und anzuordnen, dass sie in der Gesamtheit gleichmäßig ohne große Schwankungen laufen. Wie beim echten Fluß ist auch in der Leistungserbringung entscheidend, die Gesamtheit zu betrachten und nicht die einzelnen Zuläufe in Abteilungen, Produktionsinseln oder -linien (auf die in unseren Zielsystemen aber meist abgestellt wird).
Verschiedene Methoden helfen, den innerbetrieblichen Flow aufrecht zu erhalten. Bekannt sind neben der Bewusstseinsarbeit (Mind Set) die 5S am Arbeitsplatz und das Streben nach einer einstelligen Minutenzeit zum Umrüsten (SMED – single minute exchange of die).
4) Pull-Prinzip einführen
Wo der Fluß im Leistungserstellungsprozess nicht von allein weitergeht, muss er gezogen werden. Bestände am Ende einer Kette von Prozessen oder dazwischen entstehen, wenn Unternehmen nach Eigenbedürfnissen wie einer möglichst hohen Auslastung oder Lieferbereitschaft produzieren. Bestände binden Kapital, verursachen Mehrarbeit und stellen ein spekulatives Risiko dar. Um sie auf ein Minimum zu reduzieren, setzt das LEAN-Konzept das Pull-Prinzip durch: Produktion erst nach Bestellung. Intern werden Bestellungen so zeitgerecht ausgelöst, dass keine Wartezeit entsteht. Ein bewährtes Hilfsmittel zur Umsetzung des Pullprinzips sind Kärtchen (Kanban) in oder an Gebinden oder Losgrößenlagern im Produktionsraum (Supermarkt), die eine neue Bestellung auslösen. Die Kanban-Steuerung von Informationen und Material lässt sich auf viele Unternehmensprozesse übertragen. Bei hoher Gleichmäßigkeit kann aber selbst Bestellaufwand vermieden werden und frequentielle Lieferung sinnvoll sein (Milkrun).
5) Perfektion anstreben
Da sich Bedingungen permanent ändern, lässt sich ein idealer Zustand nicht herstellen. Das Optimum wird erreicht, wenn alle Beschäftigten an ihrem Platz nach Perfektion streben und einen Weg des ständigen Strebens nach kleinen Verbesserungen (Kai-Zen) gehen. Die Führungskräfte tragen hier durch die dispositiven Teile ihrer Arbeit und ihre Vorbildrolle eine besondere Verantwortung.
LEAN und Qualitätsmanagement – da liegt der Unterschied
Zwischen dem japanisch geprägtem LEAN Management und Qualitätsmanagement gibt es drei wesentliche Unterschiede. Erstens die Konsequenz, mit der Führungskräfte ihr ganzheitliches Qualitätsverständnis umsetzen und einfordern und dabei Vorbild sind. Zweitens die Tatsache, dass der Fokus auf Effektivität statt Effizienz liegt. Drittens, dass Schreibtischlösungen und Schaubildern weniger vertraut wird, als dem Eindruck vor Ort am Arbeitsplatz. Prozessbeschreibungen im Intranet blind zu vertrauen und sie als alleinige Grundlage für Aussagen zur Prozesssicherheit zu machen, stellt der LEAN-Ansatz den Gemba-Walk entgegen – die Beobachtung am Ort der Wertschöpfung.
Alle drei Aspekte müssen nicht, aber können im formalisierten QM „nach Norm“ ihren Platz finden. Führung, Prozessleistung und Wirtschaftlichkeit sind schon heute Gegenstand von ISO 9001. Kundenzufriedenheit, Durchlaufzeiten, Liegezeiten, Suchzeiten, Transportaufwand, Wege, Bestandsminderung, Sauberkeit und Ordnung am Arbeitsplatz, Ausschuss, Nacharbeit, Reklamationen, Entwicklungs(-Änderungs)-Aufwände und Bewusstseinsarbeit sind allesamt LEAN-Aspekte, die sich zielführend mit der ISO 9001 zu verbinden lassen. Ein gangbarer Weg ist die Aufwertung von Pflichtterminen (Managementreview, Audit, Schulung, Meeting, etc.) zu wertschöpfenden Events.
LEAN Management – hier erfahren Sie mehr
Für alle, die mehr über LEAN Management erfahren möchten, bietet die DGQ verschiedene Infoveranstaltungen und Trainings an. Eine kostenfreie Einführung ins Thema erhalten Sie zum Beispiel am 19. April 2016 im DGQ-Regionalkreis Mittelhessen. Sie erfahren, wie es der Körber Automation GmbH gelungen ist, ein Unternehmen nach Vorbild des Toyota Produktionssystems umzugestalten. Darüber hinaus profitieren Sie von einer Führung durchs Unternehmen.
Ab Juni hat die DGQ ein neues Training im Programm – das LEAN LAB. Hier lernen Sie zahlreiche Verbesserungsmethoden des LEAN Managements kennen. Das Besonders daran: Der Workshop hat einen hohen Praxisbezug und macht die Wirkung schlanker Prinzipien für Sie erlebbar. Im geschützten Raum wenden Sie alle erlernten Methoden praktisch an – die beste Voraussetzung dafür, dass der Transfer in Ihr Unternehmen gelingt. Was sie im LEAN LAB erwartet, zeigt ein Video zum neuen Training. Weitere Informationen zum neuen LEAN LAB >>>
Expertenwissen für DGQ-Mitglieder
Whitepaper „LEAN Management – Prozessorientiertes QM mit dem Fokus auf Wirtschaftlichkeit“
Qualitätsmanagement wird gelegentlich als passiv, dokumenten- und konformitätsgetrieben wahrgenommen und dargestellt. LEAN kommt hingegen vielerorts nur als weitere kurzfristige Kampagne zur Effizienzsteigerung daher. Für beide Wahrnehmungen gibt es Anlass. Das zeigt das Whitepaper „LEAN Management – Prozessorientiertes QM mit dem Fokus auf Wirtschaftlichkeit“, das DGQ-Mitglieder kostenfrei auf Mitgliederplattform DGQaktiv herunterladen können. Sind sie noch kein Mitglied? Dann testen Sie jetzt die kostenfreie Schnuppermitgliedschaft und erhalten Sie das Whitepaper als erstes Dankeschön. Schnuppermitgliedschaft testen und Whitepaper herunterladen >>>
Über den Autor: Kai-Uwe Behrends
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