„Nachhaltigkeit ist Teamsport entlang der Wertschöpfungskette“20 | 11 | 25

Nachhaltigkeit, Wertschöpfungskette, Produktion

Der DGQ-Fachkreis Nachhaltigkeit blickt auf zwei Jahre intensiver Arbeit zurück. Im Interview beleuchten Prof. Dr. Linda Chalupová und Dr. Wilhelm Floer, beide im Fachkreis-Leitungsteam, die vielseitigen Wechselwirkungen von Qualitätsmanagement und Nachhaltigkeit. Dabei geben sie auch einen umfassenden Einblick, welche aktuellen Themen die Fachkreisarbeit prägen und worauf sie sich in nächster Zeit besonders freuen.

Der DGQ-Fachkreis hat 2025 seinen zweiten Geburtstag gefeiert. Wie kam es vor zwei Jahren zur Gründung des Fachkreises Nachhaltigkeit, welche Entwicklungen gingen der Gründung voraus?

Floer: Den ersten Impuls zur Gründung eines DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit haben wir seinerzeit aus dem Erfahrungsaustausch Nachhaltigkeit der DGQ-Geschäftsstelle Düsseldorf gegeben: Wir erkannten bei diesen Treffen sehr schnell, dass die Themen Nachhaltigkeit und Qualitätsmanagement viele Synergien haben. Immer mehr Teilnehmer:innen konnten dazu konkrete Beispiele aus dem beruflichen Alltag anführen. Nachhaltigkeit hatte sich in einigen Unternehmen bereits etabliert und das Qualitätsmanagement bzw. die Managementsysteme spielten dabei eine Schlüsselrolle. So wurde es für uns immer wichtiger, über den Austausch hinaus ins Arbeiten zu kommen und gemeinsam konkrete Ergebnisse für die Praxis zu entwickeln. Ein erstes Ergebnis war der sogenannte ESG-Kompass, der DGQ-Mitgliedern auf der Mitgliederplattform DGQplus zur Verfügung steht. Damit einhergehend entstand auch die Idee, einen DGQ-Fachkreis zu gründen – und im Mai 2023 war es dann so weit.

Chalupová: 2022 und 2023 haben das Lieferkettengesetz und erweiterte Berichtspflichten die Dynamik rund um Nachhaltigkeit in Unternehmen massiv erhöht. Das war ein weiterer Katalysator für die Fachkreisgründung. Und 2023 war die Zeit insgesamt einfach reif dafür, das Thema Nachhaltigkeit bei der DGQ sichtbarer zu machen. Denn Qualität und Nachhaltigkeit bedingen einander, branchenübergreifend. Qualität braucht Nachhaltigkeit und umgekehrt.

Wie sahen die Anfänge der Fachkreisarbeit aus, was hat sich verändert?

Chalupová: Zu Beginn unserer Fachkreisarbeit haben wir die DGQ-Community gezielt abgeholt, Bedarfe erhoben, strukturiert und mit relevanten Updates versorgt. Begleitend durch Gespräche mit Expert:innen, Praktiker:innen und „Einsteiger:innen“ beim Thema Nachhaltigkeit entstanden daraus Formate und Fachkreis-„Stories“, wie unsere Arbeitsgruppen heißen. Mit Nachhaltigkeit in Unternehmen ist es ein Auf und Ab: Politische Impulse, Marktanforderungen und interne Prioritäten sorgen für Phasen höherer und ruhigerer Intensität. Diese Kurven spiegelt sich auch in der Community wider. Der verlässliche „harte“ Kern ist jedoch in allen Phasen dabei und sorgt für Kontinuität. Natürlich schärfen und justieren wir fortlaufend unser Selbstverständnis und unsere Arbeitsweise, sodass aktuelle Entwicklungen in Regulierung und Unternehmenspraxis stets berücksichtigt werden.

Was ist das Besondere an der Kombination von QM und Nachhaltigkeit?

Floer: Die Kombination von Qualitätsmanagement und Nachhaltigkeit bietet einige Vorteile und Synergien. Es gibt viele Überschneidungen zwischen den Prinzipien des Qualitätsmanagements und den Zielen der Nachhaltigkeit. Beide Ansätze legen großen Wert auf effiziente Prozesse und den sparsamen Umgang mit Ressourcen. Sowohl QM als auch Nachhaltigkeit betonen die Bedeutung der Berücksichtigung der Interessen aller relevanten Stakeholder. Ein zentrales Element beider Ansätze ist die kontinuierliche Verbesserung, um langfristig bessere Ergebnisse zu erzielen. Zusammengefasst kann man sagen, dass Qualitätsmanagement als Werkzeug dient, während Nachhaltigkeit die strategische Ausrichtung vorgibt.

Mit welcher Zielsetzung nähert ihr euch euren Themen in der Fachkreisarbeit? Was ist euch dabei besonders wichtig?

Chalupová: Unser Ziel ist es, möglichst aktuell, aus verschiedenen Perspektiven, pragmatische sowie konkrete Lösungsansätze zu liefern. Heißt, die DGQ-Community zu befähigen (neudeutsch: empowern), mit komplexen Nachhaltigkeitsaspekten souverän umgehen zu können. Dabei ist es uns wichtig, allen die Chance zu geben, zu partizipieren, Themen und Fachkreisarbeit mitzugestalten – dies darf übrigens gerne als Einladung verstanden werden!

Welche fachlichen Schwerpunkte habt ihr in den vergangenen zwei Jahren gesetzt?

Floer: Die Themen CO2-Fußabdruck, Kompetenzanforderungen und die Rolle von Integrierten Managementsystemen standen ebenso im Fokus wie zum Beispiel die Themen Chancen von Blockchain sowie Grenzen der Nachhaltigkeit. Die Auswahl der Themen überlassen wir unserer Community und die Community entscheidet selbstständig, zu welchen Themen Stories erstellt werden. Weiterhin versuchen wir, mit Fachvorträgen in den Fachkreissitzungen immer wieder auch besondere Schwerpunktthemen aufzugreifen. Dazu laden wir Referenten ein, die über aktuelle Themen berichten. Beispielsweise hat bei einem früheren Fachkreistreffen eine Wirtschaftsprüferin über ihre Erfahrungen und Fallstricke berichtet, welche sie bei der Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten gesammelt bzw. beobachtet hat.

Gab es Themen oder Diskussionen, die besonders prägend waren?

Chalupová: Neben den bereits genannten, teils kontroversen, fachlichen Inhalten prägt uns vor allem die Diskussion über passende Beteiligungsformate. Im dichten Arbeitsalltag suchen wir kontinuierlich nach kompakten, auf den Punkt gebrachten Formaten. Mit anderen Worten: wie können wir die Fachkreisarbeit noch weiter optimieren, um wirklich eine Unterstützung und Mehrwert zu schaffen?

Was sind eure Highlights aus zwei Jahren Fachkreisarbeit?

Floer: Definitiv ist das schnelle Wachstum des Fachkreises ein Highlight. Mittlerweile haben wir über 500 Mitglieder in unserem Fachkreis und es kommen wöchentlich immer wieder neue hinzu. Innerhalb der ersten zwei Jahre gab es eine hohe Anzahl an Stories und Publikationen, die unsere Arbeit und Erfolge dokumentierten. Besonders hervorzuheben ist der Q-Tag 2024 in Frankfurt. Mit zwei umfangreichen Workshops aus dem Fachkreis Nachhaltigkeit haben wir zum erfolgreichen Verlauf des Q-Tags beigetragen.

Chalupová: Mein Highlight sind die starken, fachlich bereichernden und menschlich wertvollen Beziehungen, die im und durch den Fachkreis entstanden sind.

Welche Themen im Bereich Nachhaltigkeit werden aus eurer Sicht für den Fachkreis in den kommenden Jahren noch wichtiger? Worauf freut ihr euch besonders?

Floer: Vordergründig sehe ich die Berichterstattung für KMU als sehr wichtig an. Durch die Omnibus-Verordnung haben Unternehmen der zweiten und dritten Welle zwei Jahre Ausschub erhalten. Die zukünftigen regulatorischen Vorgaben sind noch in Diskussion. Welche Konsequenzen sich daraus ergeben, wird spannend. Ebenso bleibt abzuwarten, welche innovativen Nachhaltigkeitsstrategien die Unternehmen entwickeln. Darüber hinaus freue ich mich persönlich auf weitere spannende Stories, die wir im Fachkreis Nachhaltigkeit erstellen.

Chalupová: Nachhaltigkeit hat keine einheitliche, allgemein anerkannte messbare Definition. Entscheidend ist deshalb erstens, das gesamte Spektrum der Nachhaltigkeitsaspekte im Blick zu behalten, sowie zweitens methodische Ansätze für den Umgang mit der Komplexität bereitzustellen, belastbare Business Cases zu entwickeln und Schnittstellen zwischen Branchen zu klären. Dazu zählen auch flankierende Themen wie Data Governance, Cybersecurity und Interoperabilitätsstandards, Quantum Computing, Impact Accounting oder auch Resilienz und Defense, die einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung liefern können bzw. die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen beeinflussen. Wichtig sind Hebel zur Skalierung von Maßnahmen und zur Multiplikation von Wirkung, Synergien zu nutzen und starke Partnerschaften auszubauen. Nachhaltigkeit ist Teamsport entlang der Wertschöpfungskette. Ich freue mich auf diese mehrwertstiftende Netzwerkarbeit.

Last but not least: Warum sollten sich Qualitätsverantwortliche im DGQ-Fachkreis Nachhaltigkeit engagieren?

Chalupová: Es ist bekannt, dass ein Netzwerk eine magische Wirkung hat. Es ist das A und O jeder erfolgreichen Persönlichkeit. Ich wünsche mir, dass wir uns stets vor Augen führen: Je mehr ich ins Netzwerk/Fachkreisarbeit gebe, desto mehr kann zurückkommen.

Floer: Mit der ehrenamtlichen Tätigkeit und dem Engagement im Fachkreis Nachkreis tragen alle Mitglieder zur nachhaltigen Transformation bei. Nachhaltigkeit ist eine globale Aufgabe und es liegt noch ein langer Weg vor uns. Mit jedem Schritt nähern wir uns dem Ziel.

Engagement im DGQ-Fachkreis Nachhaltigkeit

Der Fachkreis Nachhaltigkeit der DGQ bietet eine vielseitige und entscheidende Plattform für engagierte Personen, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt und der Gesellschaft, aber auch der eigenen Organisation bewusst sind. Erhalten Sie Impulse und erarbeiten Sie gemeinsam mit anderen Umsetzungsbeispiele für die Praxis. Jetzt mehr erfahren »

 

Über die Interviewgäste:

Linda Chalupova

Prof. Dr. Linda Chalupová ist eine Nachhaltigkeitsexpertin, Autorin, Keynote-Speakerin und zertifizierte Aufsichtsrätin mit Kernkompetenzen im nachhaltigen Wirtschaften. Als Professorin für Nachhaltigkeitswissenschaften an der Hochschule Fulda strebt sie einen profitablen Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis an, um schnellstmöglich effektive Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung bereitzustellen. Sie engagiert sich als Vorständin und Beirätin in mehreren Berufsverbänden, Gremien und Arbeitskreisen und ist Unternehmensmentorin in den Bereichen ESG und Berichterstattung. Zudem ist sie Mitglied im Leitungsteam des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit.

 

Wilhelm Floer Dr. Wilhelm Floer hat zahlreiche Audits durchgeführt. Er war über zehn Jahre im QM-Bereich Automotive bei verschiedenen Unternehmen (OEM und First Tier) tätig. Bei einem Haushaltsgerätehersteller hat er sich für agiles QM und für Nachhaltigkeit eingesetzt. Für die DGQ leitet er Trainings, berät Unternehmen und ist Mitglied des Fachkreisleitungsteams Nachhaltigkeit. Seit 2024 steht er als Consultant und Auditor zur Verfügung und führt Trainings für verschiedene Bildungsinstitute durch.

Über den Autor: DGQ

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