Integrierte Managementsysteme – Vorteile und Herausforderungen aus Sicht eines IMS-Beauftragten und Auditors2 | 05 | 25
Ein integriertes Managementsystem (IMS) verspricht Ordnung im Systemdschungel. Es soll helfen, Qualitäts-, Umwelt-, Energie-, Arbeits- oder Informationssicherheitsmanagement zusammenzuführen – in der Theorie eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Doch wie sieht das aus der Praxisperspektive eines IMS-Beauftragten und Auditors aus?
Zwischen Potenzial und Realität zeigt sich: Ein IMS ist keine einfache Addition von Managementsystemen – es ist ein Kulturprojekt.
Weniger Silos, mehr System – der größte Vorteil eines IMS
Als IMS-Beauftragter erlebe ich immer wieder, wie sehr Unternehmen davon profitieren, wenn sie ihre bestehenden Managementsysteme zusammenführen. Synergien entstehen nicht nur auf dem Papier: Gemeinsame Prozesse, eine einheitliche Dokumentenstruktur und harmonisierte Auditprogramme sparen Ressourcen – menschlich wie materiell. Es ist sinnvoll, bei einer Matrixzertifizierung – also einer Verbundzertifizierung für Unternehmen mit mehreren Standorten – Einzelaudits für Standorte bspw. auf das Jahr zu verteilen, entsprechend der Verfügbarkeit bzw. Arbeitsauslastung vor Ort.
Auch für Mitarbeitende ist ein IMS eine Erleichterung. Anstatt sich mit widersprüchlichen Regelungen aus verschiedenen Richtungen auseinanderzusetzen, gibt es klare, einheitliche Vorgaben. Das schafft Orientierung – und senkt die Frustration.
Die Krux mit der Integration – Herausforderungen aus dem Maschinenraum
Gleichzeitig offenbart sich in meiner Rolle als Auditor regelmäßig, dass Integration nicht gleich Integration ist. Es genügt nicht, die Anforderungen von ISO 9001, ISO 14001, ISO 45001, ISO 50001 oder ISO/IEC 27001 nebeneinander in einer Matrix abzubilden. Es braucht ein durchdachtes Konzept, das Wechselwirkungen erkennt und aktiv steuert.
Besonders herausfordernd ist es, den unterschiedlichen Reifegraden der Systeme gerecht zu werden. Während das Qualitätsmanagement oft gut etabliert ist, hinken Umweltmanagementsysteme hinterher. Der Versuch, alle unter ein Dach zu bringen, kann dann zur Überforderung führen – sowohl bei der Führung als auch bei den operativen Kräften.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die Rollenklärung. Wer ist für was zuständig, wenn es plötzlich keine „eigenen Systeme“ mehr gibt, sondern nur noch ein gemeinsames? Konflikte sind da vorprogrammiert, vor allem wenn etablierte Verantwortlichkeiten infrage gestellt werden.
Auditieren in einem IMS: Strukturgewinn mit Stolpersteinen
Als Auditor profitiere ich bei einem gut umgesetzten IMS von klaren Schnittstellen, gemeinsamen Risikobetrachtungen und einem durchgängigen Managementbewusstsein. Es macht die Auditplanung schlanker und die Durchführung effizienter – zumindest in der Theorie.
In der Praxis begegnet mir jedoch häufig ein „integriertes System“ mehr auf dem Papier. Die Auditteams müssen sich dann getrennt durch redundante Prozesse, unklare Zuständigkeiten und Parallelstrukturen kämpfen. Der eigentliche Mehrwert eines IMS – die ganzheitliche Sicht auf das Unternehmen – geht dabei verloren.
Besonders kritisch: Wenn Integration zur Gleichmacherei verkommt. Ein IMS darf die spezifischen Anforderungen der einzelnen Normen nicht verwässern. Es ist wichtig, Unterschiede zu respektieren – nicht alles lässt sich harmonisieren. Wer das übersieht, riskiert nicht nur Zertifizierungsprobleme, sondern auch den Verlust von Vertrauen und Akzeptanz bei den Mitarbeitenden.
Fazit: IMS braucht Haltung, nicht nur Struktur
Ein funktionierendes IMS ist kein Selbstläufer. Es verlangt mehr als kluge Prozessarchitektur – es braucht Führung, Kommunikation und den echten Willen zur Integration. Wenn Unternehmen bereit sind, sich auf diese Herausforderung einzulassen, profitieren sie langfristig: durch mehr Effizienz, mehr Transparenz und letztlich durch ein besseres Management.
Aus Sicht des IMS-Beauftragten wie auch des Auditors bleibt aber klar: Die Einführung eines IMS ist kein Projekt, das man „mal eben nebenbei“ stemmen kann. Es ist ein kontinuierlicher Lernprozess, der – richtig angegangen – echte Wettbewerbsvorteile schafft.
Über die Autorin: Torsten Lietz
