Darf ich Sie ‘mal ‘was fragen? – Wie hebeln Sie im Qualitätsmanagement?27 | 04 | 22

Hebeln im QM, was soll denn das bedeuten? Nun, es soll bedeuten, durch einen geeigneten Hebel eine größere Wirkung zu erzielen, als wenn wir die Kraft, Ressource oder Energie direkt auf unser Objekt richten. Vorbild ist die Physik. Je länger meine Seite des Hebels, desto geringer die Kraft, die ich aufwenden muss, um etwas um den Drehpunkt meines Hebels zu bewegen. Den Begriff haben längst Finanzinvestoren entliehen. „Leverage“ und „leveragen“, (d)englisch für „Hebel“ und „hebeln“, heißt dort, mit zusätzlichem, oft geliehenem Geld, den Effekt einer Investition auf die Rentabilität zu vergrößern. Anders, als in der Physik kann das jedoch schiefgehen, also Vorsicht damit.

Was bedeutet „hebeln“ nun für das Qualitätsmanagement? Es heißt, Aktivitäten für Qualität so zu konzipieren und umzusetzen, dass sie eine Verstärkung, eine Hebelwirkung erfahren. Meine Beobachtung ist, dass Qualitätsmanagerinnen und Qualitätsmanager und sogar ganze Qualitätsabteilungen sehr und letztlich viel zu operativ agieren. Sie und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen selbst interne Audits durch, bearbeiten selbst Reklamationen, beschreiben selbst Prozesse, moderieren selbst FMEAs, erstellen selbst Dokumente fürs Managementsystem. Hebeln heißt jetzt, nicht selbst Reklamationen zu bearbeiten, sondern den Prozess der Reklamationsbearbeitung zu verbessern. Nicht Prozesse zu beschreiben, sondern den Prozess der Prozessbeschreibung zu verbessern. Nicht FMEAs zu moderieren, sondern den Prozess der FMEA-Erstellung zu verbessern. Oder gar, noch eine Stufe abstrakter, anderen zu helfen, diese Prozesse in deren Verantwortungsbereich zu verbessern. Eben am Managementsystem zu arbeiten, nicht im Managementsystem, an der Organisation, nicht in der Organisation.

Ein Rückbau des Operativen der QM-Abteilung verbessert die Integration alltäglicher Aufgaben der Qualitätssicherung in die Wertschöpfungsprozesse, sowie die Übernahme der Verantwortung dafür durch Prozesseigner. Sie setzt QM-Ressourcen frei, die dann in konzeptionelle, „hebelnde“, organisationentwickelnde Projekte fließen können.

Nun wird ja für die genannten und weiteren Aufgaben durchaus eine operative Ressource benötigt. Nur muss diese nicht zwingend in einer QM-Abteilung angesiedelt sein. Warum sollten Produkt- oder Prozessverantwortliche die potenziell sogar unangenehmen oder unbeliebten Aufgaben übernehmen, wenn die QM-Abteilung sie freiwillig – oder unfreiwillig – übernimmt?

Sind Sie zu operativ? Wieviel Ihres Arbeitsalltags und des Ihrer Teammitglieder ist durch wiederkehrende Aufgaben bestimmt, wieviel durch Projektarbeit? Leiten Sie Zukunftsprojekte im Unternehmen? Wie intensiv arbeiten Sie an der Weiterentwicklung des Managementsystems? Also: hebeln Sie? Hebeln Sie wirkungsvoll? Wie hebeln Sie im Qualitätsmanagement?

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.

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