Wir müssen uns refokussieren – auf uns Menschen25 | 11 | 21

Die DGQ legt den Fokus auf den Menschen. Wieso tut sie das? Weil der Mensch es sich wert sein sollte. Strukturen, Prozesse und Verfahren ändern sich. Doch bei allem Wandel auch im QM bleibt der Mensch eben Mensch. Er ist Grund und liefert die Ziele und Motive unseres Handelns. Ganz besonders gilt das für Qualität, die von Menschen und für Menschen produziert wird. Tatsächlich wird dieser Umstand viel zu häufig vernachlässigt. Vor allem in Arbeitsumgebungen mit stark technischer Ausprägung laufen wir Gefahr, uns selbst als Menschen nicht angemessen zu würdigen. Wir missachten viele typische menschliche Bedürfnisse und antizipieren typisches menschliches Verhalten nicht angemessen. Stattdessen idealisieren wir Menschen, die im Unternehmen als Stelleninhaber und Rollenträger funktionieren. Als Führungskräfte aber auch als Managementsystemgestalter tun wir so, als würden sich Menschen immer rational verhalten und als könnten wir darauf bauen.

Es ist leicht zu behaupten, der Mensch stünde bereits in unserem Fokus, doch stimmt das wirklich? In Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung wissen wir grundsätzlich schon um die Bedeutung des Menschen für eine funktionierende und qualitätsfähige Organisation. Wir sagen oft, „wir müssen die Menschen mitnehmen“. Dennoch wirkt auf viele beteiligte Menschen unser Handeln oft nicht gerade menschenfokussiert. Im Fokus stehen stattdessen zumeist Anforderungen, Prozesse, Werkzeuge und Methoden, Produkte und Fehler – und Normen. Menschen „kommen darin vor“, stehen aber oft am Rande, nicht im Fokus. Sie sind Kundinnen und Kunden oder Mitarbeitende; sie sind Anforderungsgebende, Prozesseignerinnen und -eigner, Werkzeug- und Methodennutzende; sie sind Fehlerverursachende und Risikofaktor. Sie sind ebenso Ressource, Kompetenzträgerinnen und -träger und Entscheiderinnen und -entscheider. Als solche klassifizieren sie die Managementsystemnormen, wie die ISO 9001 oder Managementmodelle, wie das EFQM Modell. Selbst die Organisationen, deren Mission das Erbringen von Dienstleistungen für und sogar am Menschen ist, zeigen keinen grundsätzlich menschenfokussierteren Zugang zum Qualitätsmanagement und zur Qualitätssicherung. Über Jahrzehnte ist unser Fachgebiet von Ingenieurinnen und Ingenieuren sowie Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern geprägt worden. Die Galionsfiguren waren in den Jahren zwischen 1950 und 1980 US-amerikanische und japanische Männer. Heute sind auch Pädagoginnen und Pädagogen sowie Psychologinnen und Psychologen und insbesondere in den Dienstleistungsbranchen viele weitere Professionen in QS und QM tätig. Sie bringen ein Potenzial dafür mit, das noch viel zu wenig erkennbar und wirksam ist, ein professionelles Wissen über Kommunikation, Didaktik, Verhaltensanalyse und Verhaltenssteuerung. Es ist ein Wissen, das wir viel stärker nutzen müssen, um menschengerechte Arbeitsumfelder zu kreieren und menschengerechtes Qualitätsmanagement zu praktizieren.

Schon in Zeiten mit weniger Turbulenzen und weniger Veränderung hätten wir uns Menschen mehr Beachtung schenken können. Doch in heutigen Zeiten, die Wandel verlangen und treiben und digitale Transformation erfordern und forcieren, ist die Gefahr, uns selbst dabei gefährlich zu vernachlässigen nur noch größer geworden. Prioritär scheint es meist um neue Technik, wie Digitalisierung, neue Managementkonzepte, neue Organisationsformen und neue Geschäftsmodelle zu gehen. In Wirklichkeit, geht es um uns selbst.

Im Kontext der Bearbeitung ihrer derzeitigen strategischen Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und QM im Wandel setzt die DGQ nun einen „Fokus Mensch“. Dies ist ein Thema, das in alle anderen Themen hineinwirkt.

Vertiefungsthemen

In einem einführenden Impulspapier zeigt die DGQ, warum der Fokus Mensch geboten ist. Es gibt einen Überblick über relevante Themen und Inhalte.

Exklusiv für DGQ-Mitglieder: DGQ-Impulspapier Fokus Mensch: Qualität ist von und für Menschen. Wir müssen uns refokussieren – auf uns Menschen. Sollten Sie noch kein DGQ-Mitglied sein können Sie im Rahmen der kostenfreien DGQ-Schnuppermitgliedschaft drei Monate von den vollen Mitgliedsrechten profitieren.

Aufgabe dieses initialen Impulspapiers der Reihe „Fokus Mensch“ ist es, die Notwendigkeit einer solchen Fokussetzung für die Qualitätssicherung und das Qualitätsmanagement und somit auch für die DGQ zu begründen. Das Thema hat so viele Facetten, dass nicht alle zugleich vertieft werden können. Deshalb wird es weitere Impulspapiere der Reihe „Fokus Mensch“ geben. Miteinander verwobene Themen und Fragen, die wir vertiefen wollen (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge und unter identischen Überschriften), sind:

  • Qualitätsbewusstsein und Qualitätskultur: wie können wir die natürlichen Qualitätsambitionen der Menschen erhalten und ins Spiel bringen?
  • Persönliche Gesundheit und Wohlbefinden: Wie kann ich mich und andere gesund und für meine Aufgaben leistungsfähig erhalten?
  • Bewältigung persönlicher Krisen und individuelle Resilienz: Wie kann ich mich für persönliche Krisen stärken, sie bewältigen und daraus gestärkt hervorgehen?
  • Rollenklärung: Wie kann ich meine Rolle(n) anlegen, klären, entwickeln und ausgestalten?
  • Menschengerechte Digitalisierung: Wie nutze und aktiviere ich Techniken der Digitalisierung für mein Unternehmen ohne mich selbst oder anderen zu schaden
  • Kundenbedürfnisse: Mit welchen Methoden kann ich über Anforderungen hinaus Bedürfnisse von Kunden ermitteln und verstehen?
  • Verhaltensqualitätsmanagement und Nudging im QM: wie kann ich erwünschtes qualitätsrelevantes Verhalten stimulieren und unerwünschtes erschweren?

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.

Ein Kommentar bei “Wir müssen uns refokussieren – auf uns Menschen”

  1. 4579928bb9763ad80e6d8debe1e9c7f6 Martina Unger sagt:

    Guten Morgen. Ein wichiges Thema – Danke. Besonders dieser Absatz motiviert mich, zu antworten ==> „Wir missachten viele typische menschliche Bedürfnisse und antizipieren typisches menschliches Verhalten nicht angemessen. Stattdessen idealisieren wir Menschen, die im Unternehmen als Stelleninhaber und Rollenträger funktionieren. Als Führungskräfte aber auch als Managementsystemgestalter tun wir so, als würden sich Menschen immer rational verhalten und als könnten wir darauf bauen.“

    Genau das wird in unserer „geregelten, spezifizierten standardisierten“ Unternehmenswelt oft vergessen/vernachglässigt. Dass hier Menschen zusammenarbeiten. Das Kunden, Lieferanten und alle Stakeholder auch Menschen sind. Und jeder GEFÜHLE und BEDÜRFNISSE hat. Die GEWALTFREIE KOMMUNIKATION (GFK) nach Marshall Rosenberg stützt sich darauf. Meiner Meinung nach würde diese Art des „Miteinander Umgehens“ für mehr Qualität sorgen.

    Fragen wir doch mal bei Reklamationen oder nicht erreichten Kennzahlen 5x Warum (= eine einfache Q-Technik).

    Meist stossen wir dabei auf die tatsächliche Grundursache = mangelhafte Kommunikation. Und fragt man nochmal nach dem Warum, so ist man rasch bei den

    a) Gefühlen (z.B: Frust, Unzufriedenheit, Schuld, Einsamkeit, Gleichgültigkeit, Angst/Stress, Hoffnungslosigkeit, Ohnmacht, Scham, Trauer, Ärger/Wut.

    und

    b) Bedürfnissen, die nicht erfüllt sind (Verbunden sein, Selbstwirksamkeit, Sicherheit, Entspannt sein, Gerechtigkeit, Unterstützung, Dazugehören, Wertschätzung, Austausch, Beitragen, Entwicklung, WIrksam sein, Abwechslung, Schönheit, Leichtigkeit, Balance).

    Vielleicht wäre das ein Anfang?
    Für Krieg brauchts immer 2, für Frieden nur einen.

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