Vergessen Sie’s! – Total Quality Management26 | 02 | 20
Total Quality Management – klingt gut! Klingt gut? Für die einen durchaus, für die anderen gar nicht. Für die historische Entwicklung des Qualitätsmanagements war die Idee des Total Quality Management bahnbrechend. Sie begann 1961 (ja, sooo lang her) mit dem Konzept der Total Quality Control, von Armand Feigenbau erstmals so genannt, und gipfelte Mitte der 1980er Jahre im Total Quality Management, maßgeblich basierend auf den Arbeiten von Feigenbaum, Kaoru Ishikawa und Edward Deming. Diese historischen Meilensteine gilt es zu würdigen. Doch wie stehen Begriff und Konzept heute da?
Vergessen Sie den Begriff TQM
Vergessen Sie den Begriff TQM – er ist heute brutal und reaktanzauslösend. Für die, für die schon Qualitätsmanagement ein Reizwort ist, und das sind heute nicht wenige, ist die Ankündigung eines Total Quality Management eine Kampfansage. Wir müssen verstehen, wann und warum viele Organisationen, Mitarbeiter und Führungskräfte das Qualitätsmanagement als problematisch ansehen. Eine Ursache liegt in zunehmendem wirkungslosen Aktionismus.
Zudem wird der Begriff seit jeher von vielen Qualitätsmanagern ohnehin falsch verstanden. Statt Total Quality Management haben sie Total Qualitymanagement interpretiert, haben nicht das bessere und ganzheitliche Management der Qualität, sondern den Ausbau der Macht des Qualitätsmanagements vorangetrieben.
Vielen ist der Begriff zu einseitig. Sollen jetzt die Finanzer das Total Finance Management, Vertriebler das Total Sales Management, Umweltbeauftragte das Total Environmental Management ausrufen?
Vergessen Sie das Konzept TQM
Ein Namenswechsel allein hilft nicht, auch das Konzept selbst ist überholt. Vergessen Sie also auch das Konzept, denn es unterstellt fälschlicherweise, dass es einen globalen, strategieunabhängigen Fokus auf Qualität geben muss.
Wir haben erlebt, dass die Beschäftigung mit TQM-Konzepten, z.B. mit dem durchaus beachtenswerten EFQM Modell, Qualitätsmanager dazu verleitet hat, alles in der Organisation als qualitätsrelevant zu deklarieren und sich dann konsequent für alles in der Organisation zuständig zu fühlen. Sie bekamen die Rollendifferenzierung zwischen Qualitätsmanager und Geschäftsführung nicht mehr hin. Überspitzt gesagt, wenn alles in der Organisation qualitätsrelevant ist, müssen Qualitätsmanager alles mitgestalten, in alles eingebunden werden – Total Qualitymanagement eben, (s.o.). Das dürfen verantwortliche Top-Führungskräfte nicht akzeptieren. So ganzheitlich wie behauptet waren viele TQM Ansätze nämlich gar nicht. Und welche Strategierelevanz des Thema Qualität in der Organisation aktuell hat und zukünftig haben muss, ist Entscheidung der Strategieverantwortlichen, nicht der Total Quality Manager. So haben viele Qualitätsmanager bis heute, u. a. auch wegen meistens fehlender eigener Erfahrung mit Verantwortung für Geschäftsergebnisse, relevante Aspekte, Treiber und Mechanismen für die Erreichung der Unternehmensergebnisse nicht verstanden. TQM hilft da nicht weiter; Führungs-, Management-, Finanz-, Controlling-, Marketingkompetenzen durchaus.
Alles zu seiner Zeit
Damals, zwischen 1960 und 1990, waren Total Quality Control und Total Quality Management erfolgsinduzierende Konzepte für viele Firmen. Doch das Wissen über damalige Erfolgsmechanismen ist heute wenig relevant. Die Welt 4.0 erfordert neue Mechanismen. Auch das Qualitätsmanagement und die Qualitätssicherung haben sich signifikant weiterentwickelt. Die Ausgangslage und Herausforderungen der heutigen Zeit verlangen nach anderen Konzepten als dem TQM. Vergessen Sie also TQM, dann wird der Kopf frei für die heute relevanten Lösungsansätze.
Beispiele für konkrete Herausforderungen sind:
- Wie bauen wir angemessene ganzheitliche Managementsysteme für zunehmend digitalisierte Organisationen oder für neuartige digitale Geschäftsmodelle?
- Wie managen wir neuartige Qualitätsanforderungen an digitale Daten, Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle?
- Wie bringen wir mehr Qualitätskompetenz und Qualitätsverantwortung in die wertschöpfenden Bereiche?
Hallo Herr Dr. Sommerhoff,
eine aus meiner Sicht sehr zutreffende Wahrnehmung der Realität in den Unternehmen. Selbst weniger strategische Metathemen wie Organisations- und Unternehmensentwicklung werden in der Unternehmenspraxis vernachlässigt und den jeweiligen Hype-Tagesthemen geopfert. Für TQM ist die Reflexion des aktuellen Zustandes durch die Unternehmensleitung erforderlich.. Diese Aufgabe ist aber nicht wie z. B. Digitalisierung und andere Aufgaben an Fachbereiche delegierbar. Nicht umsonst stehen auch im neuen EFQM Modell 2020 die Kriterien Zweck, Vision und Strategie und Organisationskultur und
Organisationsführung.wieder ganz vorn. Wenn das Qualitätsmanagement in vielen Unternehmen schon sehr kränkelt und wenig Akzeptenz findet, ist TQM längst beerdigt.
Mir ist wichtig, dass wir uns als Qualitätsmanager nicht als Verantwortliche für alle Themen des EFQM Modells sehen. Als Führungskräfte und Spezialisten für Managementsystemgestaltung müssen und sollen wir dabei helfen, dass Führungsteams kollektiv besser dabei werden, gute Strategiearbeit und Organisationsentwicklung zu betreiben. Ich teile Ihre Beobachtung, dass das oft ein Defizit ist und viele Führungskräfte sehr operativ und wenig strategisch und organisationsentwicklerisch sind. Aber viele Qualitätsmanager sind das auch.
TQM, das begleitet mich seit Jahren, gehört zu meinem Werkzeugkasten wie ander Dinge (Stifte, Papier, Laptop). Ob das immer so heißen mag ist ein anderes Kapitel, jedoch können erfolgreiche geschichten nur mit erfolgreichen Werkzeugen entstehen. Auch unsere berühmten Vorfahren wie Siemens oder andere hatten TQM dabei, auch dort war der Begriff nicht bekannt oder womöglich verpönt. Gern wieder mal etwas warum sich alles ändern muss von Ihnen jedoch mit einem Schmunzeln sehe ich das am Ende es bleibt wie es ist Qualität setzt sich immer durch.
Vielleicht haben wir nur einen unterschiedlichen Begriff von Werkzeug, wahrscheinlich aber nicht. Für mich ist TQM kein Werkzeug. Nicht einmal eine Methode. Es ist ein Konzept, für das man zu seiner Umsetzung auf Dutzende von Methoden und Hinderte von Werkzeugen zugreifen kann. Es ist nicht der Stift, sondern Schrift und Sprache, es ist nicht der Laptop, es ist Hard- und Softwarearchitektur. Und bei Sprache z.B. gibt es unterschiedliche grammatikalische Konzepte und viele Unterscheidungskriterien mehr. Deshalb ist Chinesisch so anders als Deutsch. Dann kann man aber nicht zwischendurch kurz Chinesisch sprechen und schreiben und dann wieder auf Deutsch umstellen. So sehe ich das mit dem TQM. Das kann ich nicht mal kurz aus der Werkzeugkiste holen und wieder zurücklegen.
Warum TQM vergessen?
Das würde heißen, die Themen Führung, Mitarbeiterorientierung und Mitarbeitereinbeziehung, Kundenorientierung vergessen?
Was Sie in Ihrem Artikel als neue Herausforderungen bezeichnen, sind Reaktionen und Maßnahmen auf eine sich verändernde technische und gesellschaftliche Welt. Und genau das ist ein Thema, das im klassischen Qualitätsmanagement schon immer beachtet werden muss oder sollte, oder man hat QM nicht richtig verstanden.
TQM bedeutet letztendlich auch, dass das Managementboard Qualität hat und auf solche neuen Herausforderungen reagiert. Das ist keine Aufwertung und Auswertung des QM, sondern ein umfassendes Managementsystem, in dem auch die Managementaktivitäten und -prozesse Qualität aufweisen.
Wozu TQM vergessen, wenn da schon alles drin steckt?!
Selbst wenn in TQM „alles drin steckt“ wie Sie richtig feststellen und Qualitätsmanagement die „Qualität des Managements“ bedeutet, so interessiert das in der Praxis eben nicht das Management als Auftraggeber sondern die wirtschaftlichen Ergebnisse des Unternehmens, denn daran wird das Management gemessen. Das Verstehen von Ursache-Wirkungsketten erzeugt bei der aktuellen Verweildauer der Entscheider im Unternehmen keine unmittelbare Nutzerwarttung und ist daher aus der individuellen Betrachtung „unnütz“. Wenn wir für QM interessieren wiollen, dann nur durch einen persönlichen Nutzen für die Entscheider. „At least everything is financial“.
Warum? Den Begriff, weil er hochgradig allergieauslösend ist. Er ist schlichtweg untauglich. Und das Konzept, weil es uns dazu verleitet hat, uns als Qualitätsmanager als eine Art Schattengeschäftsführung zu positionieren. Erfolglos.
Für mich war und ist der ganzheitliche Ansatz bei der Führung von Unternehmen der einzig wahre. Diesen werde ich doch nicht vergessen, auch dann nicht, wenn er TQM genannt wird! Allerdings empfand ich Total Quality Management früher eher als eine ‚Amöbe‘; TQM war einfach nicht bzw. nur schwer zu fassen. Dies dürfte auch vielen erfahrenen Fachleuten aus 14 europäischen Unternehmen so gegangen sein, die Anfang der 90er-Jahre das EFQM-Modell aus der Taufe gehoben haben. TQM wurde damit ‚fassbar‘, die vielen erfolgreichen Unternehmen europaweit belegen dies eindeutig.
Ich kann deshalb jeder Führungskraft nur empfehlen, in ihrer Organisation einem ganzheitlichen Management gegenüber aufgeschlossen zu sein und es glaubhaft zu praktizieren. Dies muss man nicht TQM nennen, wenn es denn schwer fällt. Jedoch wird man nicht um die Inhalte herumkommen, um unter Einbindung aller internen und externen Ressourcen nachhaltig erfolgreich zu sein!
TQM hat historisch gesehen durchaus seine Verdienste. Allerdings haben sich die Probleme in Zeiten des Wandels, insbesondere durch die digitale Technologie, erheblich verändert (und erweitert) und verlangen neue Problemlösungsansätze, die z.B. einen ganzheitlichen Charakter aufweisen und sich von einer begrenzten oder gar eindimensionalen Betrachtungsweise entfernen sollten.
Qualität unterscheidet sich weiterhin in qualitative und quantitative (messbare) Werte. Die Veränderungen haben sich insbesondere bei den qualitativen Werten ergeben, da neuerdings der Mensch stärker in den Fokus gerückt ist, das heißt weitere Qualitäten (Werte) der Arbeit, der Ökologie, des Sozialen und der Gesellschaft etc. einbezogen werden müssen. Der Mensch ist einerseits Verursacher und andererseits Betroffener von Risiken, z.B. ökologischer oder sozialer Art. Qualitätsmanagement kann in einer integrativen bzw. ganzheitlichen Weise qualitativ aufgewertet werden, damit die Gesellschaft und ihre Akteure ihre legitimen Ansprüche, z.B. auf Arbeitsschutz und Verantwortung der Marktteilnehmer, erheben können. Derartige Managementsysteme gehören zum Aufgabenfeld des Unternehmers und der Top-Manager, da die Probleme nicht nur intern gelöst werden können; außerdem ist eine Adaption an das Umfeld erforderlich.
Der Wandel bezieht sich sowohl auf einen evolutionären als auch revolutionären und disruptiven Wandel. Der evolutionäre Wandel ist gleichzeitig ein natürlicher Wandel, der soweit wie möglich unterstützt werden sollte, z.B. durch kontinuierliche Verbesserungen. Die digitale Technologie ist als künstlich anzusehen und fungiert somit (vorerst) als Werkzeug des Menschen. Bei aller Wertigkeit für den Fortschritt, den diese Technologie mit sich bringt, ist zu berücksichtigen, dass Revolution und Disruption Ambivalenzen aufweisen. Das Unbehagen und die Probleme weiter Kreise der Gesellschaft mit den neuen Technologien liegen insbesondere im Datenschutz, und der Einhaltung demokratischer Regeln des Marktes, die z.B. durch globale Internetkonzerne infragestellt werden.
Ein weiteres Umdenken scheint auch im Big Business erforderlich zu sein, da bei der Digitalisierung in reduktionistischer Weise (noch) der Fokus auf konventionelle Geschäftsmodelle gelegt wird, bei denen z.B. soziale und ökologische Perspektiven unberücksichtigt bleiben (vergleiche das „Weltbild von Silicon Valley“). Die westlichen Industriegesellschaften haben das m.E. erkannt und zeigen, zumindest tendenziell, ein verändertes Verhalten. Es gibt Beispiele, dass Geschäftsmodelle für Unternehmen in (Über-) Lebensmodelle verwandelt wurden. Beispiel: Der Mensch sollte ein Lebensmodell verinnerlicht haben, keinesfalls aber ersatzweise ein Geschäftsmodell für sein ganzes Leben; evolutionär betrachtet kann das Lebensmodell auch als Überlebensmodell bezeichnet werden. Das, was für den einzelnen Menschen gilt, sollte grundsätzlich auch für Unternehmen und Institutionen (als Ansammlung von Menschen) gelten, womit allerdings, wie eingangs ausgesagt wurde, eine ganzheitliche Sicht der Dinge verbunden wäre; eindimensionale Perspektiven könnten nicht mehr akzeptiert werden.
Neuere Problemlösungsansätze, die vorgenannte Argumente berücksichtigen und auch im Qualitätswesen eingesetzt werden könnten, sind z.B.
• Change-Management,
• VUKA mit Resilienz,
• Organische Agilität und
• Erkenntnismodell in 5 Phasen – Paradigmenwechsel (Konstrukt des Aufzeichnenden)
Alle genannten Problemlösungen beinhalten auch Perspektiven von TQM, gehen aber tendenziell von einem ganzheitlichen Problemlösungsansatz aus.
Perspektivisch wünsche ich mir, als Jahrzehnte langes Mitglied des DGQ, eine verstärkte Diskussion der aufgeführten Systeme, z.B. in einem oder mehreren Blogs des DGQ und hoffe, das Dr. Sommerhoff dies ermöglichen wird.
TQM ist nicht tot, und ich behaupte : Nein , vergessen Sie nicht TQM. Im Gegenteil. Qualität ist ein Wort, das etwas beschreibt, es steht für etwas. Es steht für vieles. Es ist ein EIN ANDERES WORT FÜR. Deshalb gibt auch die Norm in den ersten Seiten ein Erklärung was überhaupt mit diesm Wort zu verstehen ist. Das müsste jeder Qualitäter kennen.
Ein Beispiel: Ein Bediener einer Universaldrehmaschine. Wann spricht man dabei von Qualität? Wenn das Ergebnis stimmt. Wenn der Durchmesser stimmt. Das ist Qualität. Aber, er ist ja nicht alleine dafür verantwortlich. Wenn das Material porös ist, dann kann der Bediener kein gutes Ergebnis erzielen. So gut er auch sein mag. Das heißt doch, dass auch der Einkauf ein gutes Ergebnis erzielen muss. Hat der Einkauf seine Arbeit gut gemacht, dann ist das Qualität. Hat der Dreher seine Arn´beit gut gemacht. Dann ist das Qualität. Usw. Wenn man das alles, auf alle Personen anwendet, das heißt, wenn alle ihre Arbeit richtig machen, dann ist das Qualität. Analysiert man weiter, dann kann man von Total reden. Ich stimme zu: Die Welt 4.0 erfordert neue Mechanismen. Aber auch hier gilt, für mich, Total Quality Management. Was ja bedeutet, mit einfachen Worten : Totales (überall) Schaffen von Qualität (gutes Ergebnis). Ist es ein Unterschied, ob das gute Ergebnis von einem Menschen erzielt wird oder von einer Maschine? Das gute Ergebnis ist ausschlaggebend, und darauf zielt 1. ein Unternehmen um existieren zu können und 2. der Kunde, wenner etwas kauft.
Das Wort Qualität wird es immer geben, die Methoden zur Qualitätserbringung ändern sich, Nur.