Wissen in Kompetenz verwandeln16 | 03 | 18

Human head

Aktuelle Herausforderungen bei der Umsetzung von Wissensmanagement

Im Lichte der Revision von ISO 9001 hat die Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) gemeinsam mit der Gesellschaft für Wissensmanagement e.V. (GfWM) erneut eine Onlinebefragung zum Themenbereich Wissen und Kompetenz durchgeführt.

Mit dieser dritten Befragungswelle nach 2015 und 2016 wollten wir eruieren, ob und wie sich der Umsetzungsgrad der Normanforderungen in Sachen Wissen und Kompetenz entwickelt hat – immerhin gilt ab dem 15. September 2018 nur noch die revidierte Norm und Zertifikate nach ISO 9001:2008 verlieren ihre Gültigkeit.

Im Gegensatz zu den beiden ersten Befragungen wurde das „Setting“ der Befragung geändert, ohne aber die Vergleichbarkeit zu gefährden:

  • Der Fragebogen wurde gekürzt, um den Aufwand für die Teilnehmer zu senken. Konkret wurde nicht mehr hinterfragt, ob die 2015 noch neuen Texte in der Norm „verständlich“ sind – die Aussage dazu waren in den ersten beiden Umfragen (positiv) stabil (vgl. QZ 10/2016).
  • Hinzugekommen sind Fragen nach den Erfahrungen mit der Auditierung bzw. (Re-)Zertifizierung nach den neuen Anforderungen der Norm sowie der Anwendung oder geplanten Implementierung von 22 ausgewählten Wissensmanagementinstrumenten.

„Wissen“ und „Kompetenz“ in der Norm ISO 9001

Es zeigt sich, dass den Teilnehmern die Begriffe Wissen und Kompetenz im Laufe der drei Jahre zunehmend vertrauter werden. Genau vertraut oder gut vertraut mit den Begriffen sehen sich statt 28 Prozent nun 63 Prozent der Teilnehmer.

Bezüglich der Einschätzung zur Erfüllung der Normanforderungen gibt es im Zeitverlauf zum Teil deutliche Veränderungen. Waren in der ersten Runde (2015) noch einige Teilnehmer sehr optimistisch, bewirkte (vermutlich) die intensivere Kommunikation der Anforderungen und die tatsächliche Arbeit an der Umsetzung eine gewisse Relativierung in den nachfolgenden Jahren. Statt 2014 10 Prozent sehen nun nur noch 6,5 Prozent die Anforderungen sehr gut erfüllt.

Unsicherheiten im „Umgang mit Wissen“ nehmen zu

Bisher haben nur drei Prozent der teilnehmenden Unternehmen den gesamten Anforderungsbereich „Umgang mit Wissen“ in ihrem Unternehmen bereits „sehr gut erfüllt“. Über die drei Jahre betrachtet, ergibt sich eine Verschiebung von „sehr gut erfüllt“ bzw. „gut erfüllt“ zu „mittelmäßig erfüllt“.

Die Unsicherheiten im „Umgang mit Wissen“ nehmen im Zeitverlauf noch zu (von 38 Prozent auf aktuell 25 Prozent) und bilden durchaus eine „große Baustelle“ bei den Normanforderungen.

Betrachtet man die „Teilanforderungen“ zu „Wissen“ (Wissen bestimmen, Wissen verteilen …), sind die Erfüllungsgrade zu „Zusatzwissen erlangen“ relativ stabil. Der Handlungsbedarf ist aber nach wie vor groß. Bei den Teilanforderungen „Wissen bestimmen“, „Wissen aufrechterhalten“ und „Wissen vermitteln“ verschieben sich die Angaben tendenziell von den Erfüllungsgraden „sehr gut erfüllt“ bzw. „gut erfüllt“ zu „mittelmäßig erfüllt“.

Auszug aus dem Ergebnisbericht der Onlinebefragung 2017

Unternehmen fühlen sich zur Anforderung „Kompetenz“ besser aufgestellt

Auch zur Anforderung „Kompetenz“ ist der Erfüllungsgrad „sehr gut erfüllt“ mit 4,4 Prozent aktuell eher gering. Zusammen mit dem Erfüllungsgrad „gut erfüllt“ (37 Prozent) sehen sich die Unternehmen zur Anforderung „Kompetenz“ aber besser aufgestellt als zur Anforderung „Wissen“ (41,4 Prozent: 26,1 Prozent). Insgesamt besteht aber hier ein großer Handlungsbedarf, insbesondere, wenn Exzellenz und strategische Differenzierung angestrebt werden.

Auszug aus dem Ergebnisbericht zur Onlinebefragung 2017

Der größte Handlungsbedarf ergibt sich über drei Jahre betrachtet zu „Maßnahmen zum Kompetenzerwerb bewerten“. Die Erfüllungsgrade verschieben sich von „sehr gut erfüllt“ bzw. „gut erfüllt“ zu „mittelmäßig erfüllt“ und schlechter.

Maßnahmen/Strategien/Methoden

Die Teilnehmer wurden auch nach der Anwendung oder geplanten Implementierung von 22 ausgewählten Wissensmanagementinstrumenten gefragt. Diese sind klassische Beispiele, mit denen die Anforderungen der Norm erfüllt werden (können). Bezogen auf die ausgewählten Wissensmanagementinstrumente zeigt sich eine leichte Tendenz zum Einsatz technischer Systeme (Dokumenten-Management-System, selbsterklärende Ordnerstruktur, Projektdatenbank, …). Diese werden z.T. zu hohen Prozentsätzen mit „Machen wir, ist sehr wirkungsvoll“ oder „Machen wir, ist teilweise wirkungsvoll“ bewertet.

Kritisch anzumerken ist hierbei, dass technische Systeme Wissen lediglich kodifizieren. Da Wissen jedoch immer an den Menschen gebunden ist (vgl. auch DIN SPEC 91281:2012-04), wird hier möglicherweise ein falscher Schwerpunkt gesetzt. Technische Systeme können den direkten Austausch zwischen Menschen (Mitarbeitern) – lernen von- und miteinander – unterstützen, aber nicht ersetzen. Auch vor diesem Hintergrund scheint eine Überprüfung der eingesetzten bzw. geplanten Maßnahmen/Strategien/Methoden sinnvoll (vgl. QZ 10/2016).

Stellen wir die Aussagen dieser Studie in den größeren Kontext der Digitalisierung der Geschäftsmodelle und der weiter zunehmenden Automatisierung sowie der immer noch extrem leichten Verfügbarkeit von Finanzkapital, ergibt sich vor allem aus strategischer Sicht nicht nur für die „großen“ sondern eben auch die Mittelstandsfirmen und für die wissensintensiven KMU Handlungsbedarf, um die Chancen auch zu nutzen und wahrscheinliche Risiken zu minimieren. Es kann nicht schaden, sich mit den grundlegenden Instrumenten für Wissensmanagement zu befassen und diese behutsam in die Routinen der Organisation zu integrieren.

Weitere Informationen

Was die Onlinebefragung darüber hinaus ergeben hat, haben wir in einem Ergebnisbericht für Sie zusammengefasst.

Ergebnisbericht der Onlinebefragung „ISO 9001:2015 Anforderungen im Umgang mit Wissen und Kompetenzen“ herunterladen >>>

In der DGQ-PraxisWerkstatt „Wissensmanagement nach ISO 9001 in der Organisation umsetzen“  profitieren Sie von den aktuellen Erkenntnissen der gemeinsamen Arbeitsgruppe von DGQ und der Gesellschaft für Wissensmanagement (GfWM).

Wer ist die GfWM?

„Die Gesellschaft für Wissensmanagement e.V. (GfWM) unterstützt den professionellen und verantwortungsbewussten Umgang mit Wissen. Wir fördern die Weiterentwicklung von Wissensmanagement in Theorie und Praxis im Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung, Politik und Gesellschaft.“

  • Die GfWM ist ein im deutschsprachigen Raum regional aufgestelltes und überregional verbundenes Netzwerk von Akteuren im Wissensmanagement.
  • Die GfWM vermittelt ein Bewusstsein für die Bedeutung von Wissen als erfolgskritischem Faktor.
  • Die GfWM regt den Austausch von Experten, Entwicklern und Anwendern an, um stetige praxisorientierte Weiterentwicklung von Wissensmanagement zu befördern.
  • Die GfWM zeigt aktiv die Verknüpfungen zu anderen wissensrelevanten Themen auf und unterstreicht durch Kooperationen und interdisziplinäres Zusammenarbeiten ihre ganzheitliche Sicht auf das Wissensmanagement.
  • Die GfWM steht für den werteorientierten Umgang mit Wissen.

Über die Autoren

Dr. Manfred Bornemann

Dr_-Manfred-BornemannDr. Manfred Bornemann ist Geschäftsführer der Intangible Assets Consulting GmbH, Vorstand im Bundesverband Wissensbilanz, ehemaliger Vorstand der Gesellschaft für Wissensmanagement und Autor von 50+ wissenschaftlichen Publikationen. Als Unternehmensberater verantwortete er 250+ Projekte im Kontext Wissensbilanzierung, Wissensmanagement, Organisationsentwicklung und Strategie. Er unterrichtete in 15+ Universitäten und verbindet Grundlagen mit Praxis.
Kontakt: bornemann@ia-consulting.at

Günter Hartmann

Günter Hartmann

Seit über 10 Jahren begleitet er Unternehmen zu den Themenfeldern Wissensmanagement und Innovationsmanagement. Er ist Mitglied im Fachkreis Wissensmanagement von GFWM und DGQ und leitete das Projekt „Wissensbilanz und ISO 9001:2015. Der fachliche Blick über den Tellerrand ist für ihn selbstverständlich, um Schnittstellen und Synergien zu nutzen. Praktisches Beispiel ist die „Verschneidung“ von Wissensmanagement und Qualitätsmanagement nach ISO 9001 und EFQM. Methodischer Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die „Wissensbilanz – Made in Germany“ als strategisches Instrument des Wissensmanagements sowie der Transfer von Wissen bzw. die Wissenssicherung in Organisationen. Er koordiniert ehrenamtlich seit vielen Jahren die Aktivitäten der Gesellschaft für Wissensmanagement (GfWM e.V.) in der Hauptstadtregion und ist aktuell in den Fachgruppen „Wissensmanagement und Qualitätsmanagement“ und „Wissensmanagement und Projektmanagement“ der GfWM aktiv.
Kontakt: hartmann@erfolgsfaktorwissen.de

Über den Autor: DGQ

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