Wie Qualitätsmanager die Kultur entwickeln19 | 06 | 19

Zu Recht reden alle von Kultur, denn sie ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Es geht um Unternehmenskultur, Führungskultur, Fehlerkultur. Auch im Qualitätsmanagement diskutieren wir über Organisationskultur. Dabei sollten wir uns mehr und mehr auf die Wissensgebiete stützen, deren Erkenntnisse besonders weit fortgeschritten sind, wie z. B. die der Organisationssoziologie. Sie lassen sich auf das Qualitätsmanagement übertragen.[1] Doch was ist Kultur und wie verändert sie sich? Welchen Einfluss haben organisationale Veränderungen auf die Kultur eines Unternehmens? Und welche Auswirkungen kann das Bewusstsein über diese Fragen auf das Qualitätsmanagement haben?

Welcher Qualitätsmanager kennt diese Situation nicht? Weil Aspekte der Zusammenarbeit als verbesserungswürdig gelten, startet jemand ein Kultur- oder Leitbildprojekt. Schon bald finden sich Führungskräfte und Mitarbeiter in Workshops wieder. Ihr Ziel ist es, das Leitbild mit Regeln für die Zusammenarbeit neu zu definieren. Sobald Einigkeit erreicht ist, werden diese Spielregeln nach innen top-down und nach außen auf der Webseite des Unternehmens kommuniziert. Wer genau hinschaut und Alltagshandeln beobachtet erkennt schon bald: Am Ende hat sich nichts geändert.

Denn die Stellhebel für Kultur- und damit Verhaltensveränderung sind nicht die Kulturaspekte selbst, sondern die sogenannten harten Faktoren. Kultur verändert sich in Reaktion auf Personalentscheidungen, besonders den Austausch von Personen, durch Veränderungen der Regeln und Prozesse sowie durch Änderung der Ziel- und Incentivierungsmechanismen.

Was ist Kultur?

Über Kultur wird viel geschrieben. Edgar (Ed) Schein[2] hat mit seinem „Seerosen-Modell“ eine eingängige Beschreibung der Organisationskultur mit der Hilfe von drei Ebenen geschaffen. Er unterscheidet

  • die sichtbare Ebene der Symbole, Rituale, Ausdrucksformen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten,
  • die teils sichtbare, teils unsichtbare Ebene der Normen und Werte, der Leitbilder, der Geschichten, Helden und Tabus,
  • die verborgene Ebene der Überzeugungen und Grundannahmen.

Die Kultur einer Organisation, ihre Gewohnheiten und Rituale sind nicht aus Verordnungen von Vorstand oder Geschäftsführung entstanden. Sie haben sich als Schatten der Organisation entwickelt: aus dem Geschäftsmodell, aus Organisationsstrukturen, Prozessen – also aus der Art und Weise, wie eine Organisation „funktioniert“ bzw. von den Menschen in der Organisation zum Funktionieren gebracht wird. Damit prägt jeder einzelne Mitarbeiter durch seine individuellen Grundannahmen und Werte die Kultur im Unternehmen mit.

Kulturveränderung und Qualitätsmanagement

Qualitätsmanager sind in der Welt der Regeln und Prozesse, deren Entwicklung und Anpassung zu Hause. Die fortlaufende Verbesserung ist eines der Grundsätze des Qualitätsmanagements. Das heißt aber, dass die Qualitätsmanager einen der wichtigsten Stellhebel für Kulturveränderung bedienen. Idealerweise tun sie das gemeinsam mit anderen, vor allem den Führungskräften. Allerdings setzt eine erfolgreiche Kulturarbeit voraus, bewusst auf die kulturellen Effekte der Änderungen von Regeln und Prozessen zu schauen und ggfs. die Eingriffe zu revidieren und anzupassen, wenn ungewollte Effekte entstehen.

Ein Blick auf das „magische Dreieck der Veränderung“ macht deutlich, dass ein neues Bewusstsein für die Einflüsse von Veränderungen auf die Organisationskultur notwendig ist – sowohl im Qualitätsmanagement als auch in den Führungsebenen. Das Dreieck beschreibt den Zusammenhang zwischen der Struktur (Aufbau- und Ablauforganisation), der Strategie und der Kultur als sich in Balance befindliches, dynamisches System. Veränderungen an Strukturen oder der Strategie bringen das Dreieck aus dem Gleichgewicht. Es entstehen kulturelle Ausweichbewegungen (nach Stefan Kühl[3]), die auch unerwünschte Handlungen und Verhalten nach sich ziehen können. Gescheiterte Veränderungen und fehlende Wirksamkeit initiierter Verbesserungen sind eine Folge. Peter Drucker bekräftigt diesen Einfluss von Kultur mit seinem Zitat „Culture eats strategy for breakfast“.

Wer also Strategie, Struktur und Prozesse verändern will, muss die Auswirkungen auf die Kultur berücksichtigen. Gleichermaßen müssen Qualitäts- oder Change Manager neben erwünschten oder angestrebten Kulturveränderungen, die sich aus Kulturentwicklungsprojekten ergeben, Wechselwirkungen im Hinblick auf Struktur und Strategie in Betracht ziehen.

Um aktiver auf Kulturveränderungen wirken zu können, die durch Entwicklungen des Managementsystems, der Aufbau- und Ablauforganisation oder durch Verbesserungen aus Audits und KVP ausgelöst werden, benötigen Qualitätsmanager Methoden, Werkzeuge und ein Bewusstsein für diese kulturellen Einflussfaktoren. Kulturveränderung bedeutet Verhaltensänderung. Diese braucht Zeit und Vorbilder, da neue Verhaltensweisen geübt und gefestigt werden müssen, bis sie sich als neue Werte verankern.

Berufsbild Qualitätsmanager

Qualität ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg jedes Unternehmens und ein wichtiger Faktor für Kunden. Um Qualität zu erzeugen, braucht es ein gutes Konzept und ein reibungsloses Zusammenspiel aller Beteiligten. Eine Schlüsselrolle dabei haben Qualitätsmanager. Sie helfen der Unternehmensleitung, den Führungskräften, Prozesseignern und Mitarbeitenden, das Unternehmen qualitätsfähig zu machen. Als „Systemarchitekten“ unterstützen Sie dabei, ein Qualitätsmanagementsystem aufzubauen und weiterzuentwickeln. Finden Sie eine Karriere im Qualitätsmanagement spannend?
Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Qualitätsmanager:

  • Was versteht man unter Qualitätsmanagement?
  • Welche Aufgaben betreuen Qualitätsmanager?
  • Wie wird man Qualitätsmanager?
  • Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es?
  • Wie viel verdient man als Qualitätsmanager?
  • Welche Karrieremöglichkeiten gibt es als Qualitätsmanager?

Zum Berufsbild Qualitätsmanager »

Wie kann die Kenntnis über den Einfluss der Kultur für das Qualitätsmanagement genutzt werden?

Kultur entsteht als Reaktion auf die herrschenden Verhältnisse in der Organisation. Das bedeutet: Jede Veränderung in den Berichtswegen oder im Zielsystem des Unternehmens, jede Einstellung, jede Versetzung, jede Entlassung, jede Prozessoptimierung und jeder Verbesserungsvorschlag hat Einfluss auf die ausgesprochenen und auch unausgesprochenen Normen, Rituale und Regeln der Zusammenarbeit in den einzelnen Organisationseinheiten. Qualitätsmanager arbeiten also fortlaufend an der Kultur der Organisation – nur eben vielfach unbewusst.

Wer wirksame Prozessveränderungen oder Verbesserungen umsetzen will, muss von vornherein systematisch die Auswirkungen auf die sichtbaren und unsichtbaren Kulturelemente, Rituale und Verhaltensweisen sowie die formalen und informalen Regeln der Zusammenarbeit bedenken:

  • Nutzen Sie interne Audits, um zu erfahren, wie zusammengearbeitet wird? Wie werden Informationen ausgetauscht? Gibt es Rituale, die die Zusammenarbeit prägen? Wo finden sich informale Vorgehensweisen, die als Ausweichbewegungen Lücken in Prozessbeschreibungen kompensieren, um auf diese Weise das Funktionieren der Abläufe zu gewährleisten?
  • Beziehen Sie bei der Planung von Verbesserungen oder der Entwicklung des Managementsystems Betroffene mit ein. Was sind ausdrücklich, aber auch nicht explizit geäußerte Erwartungen der Mitarbeiter? Welche Kompetenzen sind vorhanden, die nicht genutzt werden? Wie können mögliche Ängste und Widerstände reduziert werden? Wie sehen formale und informale Kommunikationswege aus?
  • Hinterfragen Sie bei Reklamationen oder Prozessanalysen die Hintergründe der Abweichungen von Vorgaben. Sind die Strukturen so gestaltet, dass Ziele und Erwartungen aller interessierten Parteien unterstützt werden? Wie können sinnvolle und wirksame Prozesse gestaltet werden?

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Gestaltung Ihrer Organisationskultur gemacht? Welche Ansätze nutzen Sie in Ihrer Organisation, um eine erwünschte Kulturentwicklung zu fördern? Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen.


[1] Dr. Sommerhoff, Benedikt (2018): Expertenwissen für DGQ-Mitglieder „Wenn’s soft wird, wird’s hart“
[2] Edgar H. Schein (2018): Organizational Culture and Leadership
[3] Stefan Kühl (2018): Organisationskultur beeinflussen

 

Über die Autorin: Silke Krischke

Silke Krischke, Dipl.-Wirt.Ing., syst. Organisationsentwicklerin, DGQ-Trainerin/-Prüferin/-Autorin, Mitglied im Leitungsteam des DGQ-Fachkreises QM als Organisationsentwicklung. Sie arbeitet als Senior Consultant bei der 3DSE Management Consultants GmbH, der führenden unabhängigen Managementberatung für Innovation und F&E.

2 Kommentare bei “Wie Qualitätsmanager die Kultur entwickeln”

  1. Hallo Silke, vielen Dank für diesen guten Beitrag. Ja, Unternehmenskultur ist der wesentliche Treiber um Qualität zu liefern. Ich bin fest davon überzeugt, dass es in Zukunft um Unternehmensqualität gehen wird. In diesem Kontext spielt natürlich die Kultur einer Organisation eine wesentliche Rolle. Der entscheidende Erfolgsfaktor liegt aus meiner Sicht im Bereich der Führung. Über Führungskultur kommen wir dann zu einer Unternehmenskultur, die wiederum die Unternehmensqualität ganzheitlich gestalten wird. Welche Rolle die heutigen QMBs/Qualitätsmanager in diesem Gestaltungsprozess spielen werden, ist aus meiner Sicht schwer vorausschaubar. In der Vergangenheit waren für diese Prozesse Organisationsentwickler (da komme ich her) die Treiber. Sie besitzen die Fachkompetenz zur Entwicklung einer Organisation. Auch haben Organisationsentwickler Prozesse analysiert (heute heißt das Audit) und weiterentwickelt. Daher habe ich mich in Vergangenheit schon mit dem Thema „Der Auditor als Coach und Lernbegleiter“ in Zusammenarbeit mit Frau von Diemer beschäftigt. In meiner letzten Führungsposition haben wir dann die „Unternehmenskultur“ bis zu einem „Unternehmens Spirit“ gewandelt. Dieser Wandel wurde durch die Mitarbeiter möglich gemacht. Ich als verantwortliche Führungskraft habe lediglich für den notwendigen Rahmen und die erforderlichen Impulse gesorgt.
    Es ist also vieles möglich. Die höchste Stufe der Unternehmenskultur ist für mich einen „Unternehmens Spirit“ zu schaffen. Die Treiber müssen Führungskräfte sein und ein Wandelprozess (nicht Changeprozess) dauert etwas länger. Vor allem handelt sich bei den von dir angesprochenen „Kulturveränderungsprojekten“ eben um Projekte. Daher führen diese Projekte in der Regel nicht zum nachhaltigen Erfolg.

    1. Hallo Jörg, ich danke Dir für Deine Erfahrungen und Gedanken. Ich stimme Dir zu, dass die Rolle, welche Qualitätsmanager in Gestaltungsprozessen einnehmen, eine Frage ist, die mit der Führung, also dem Auftraggeber eines Veränderungsprozesses zu klären gilt. Und diese Rolle kann je nach Unternehmen, Unternehmens- und Führungskultur, je nach agierenden Menschen unterschiedlich sein. Ich möchte mit meinem Beitrag sensibilisieren, dass wir als Qualitätsmanager in jedem KVP-Projekt, in jedem Audit, in jedem Entscheidungs- oder Interaktionsprozess mit Menschen helfen, (Unternehmens-)Kultur mitzugestalten. In unserem Handeln leben wir Kultur durch Verhaltensweisen, Gewohnheiten, Rituale, Werte, Geschichten und erleben diese in der Interaktion mit Kollegen und Führungskräften. Vielfach sind wir uns dessen gar nicht bewusst. Qualitätsmanager agieren in der gesamten Organisation und prägen durch ihr Handeln Unternehmenskultur. Indem wir uns als Qualitätsmanager dessen bewusst(er) werden, können wir unser Agieren und Wirken bewusst(er) im Sinne der Unternehmenskultur oder gar des „Unternehmens-Spirit“ ausrichten und entwickeln, in kleinen KVP-/Veränderungsprojekten ebenso wie in einer wie auch immer gestalteten Rolle in größeren Change- oder Transformationsprozessen. Ich freue mich auf den weiteren Erfahrungsaustausch zu diesem spannenden Thema.

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