Verifizierung statt Kalibrierung – wo ist der Unterschied – was benötigt wer?7 | 08 | 19

Mehr als zehn Managementsystem-Standards habe ich analysiert. In allen findet sich folgende Anforderung in ähnlicher Form wieder: „Wenn die messtechnische Rückführbarkeit eine Anforderung darstellt und als wesentlicher Beitrag zur Schaffung von Vertrauen in die Gültigkeit der Messergebnisse angesehen wird, muss das Mess-/Prüfmittel in bestimmten Abständen oder vor der Anwendung gegen Normale kalibriert, verifiziert oder beides werden, die auf internationale oder nationale Normale rückgeführt sind“. Im Klartext heißt das, dass nicht alle Mess- und Prüfmittel, die zur Schaffung von gültigen Messergebenissen eingesetzt werden, kalibriert werden müssen.

Objektiver Nachweis kann durch Prüfung erfolgen

Doch worum geht es eigentlich? Es geht um die Schaffung sogenannter gültiger Messergebenisse. Ein Messergebnis ist dann als gültig zu betrachten, wenn die Ergebnisse in einer lückenlosen Kalibrierkette an die internationalen Standards (SI-Einheiten) angeschlossen sind. Das wird u. a. über akkreditierte Kalibrierungen erreicht. Wie ist jetzt jedoch eine Rückführung möglich, wenn die eingesetzten Mess- und Prüfmittel verifiziert satt kalibriert werden? Verifizierung bedeutet gemäß ISO 9000:2015 „Bestätigung durch Bereitstellung eines objektiven Nachweises, dass festgelegte Anforderungen erfüllt worden sind.“ Ein objektiver Nachweis kann durch eine Prüfung erfolgen. Das Ergebnis einer Prüfung ist immer ein i. O. oder n. i. O in Verbindung mit den gestellten Anforderungen und den in ISO 14253-1 dargestellten Entscheidungsregeln. In diesem Zusammenhang dienen Messwerte dazu, eine Entscheidung zu treffen.

Zur Verifzierung eingesetzte Standards müssen kalibriert sein

In der Praxis bedeutet das, dass die sichere Funktion der meisten Mess- und Prüfmittel, welche in Produktionsanlagen zur Prüfung eingesetzt werden, über eine Verifizierung abgesichert werden können. Der zur Verifizierung eingesetzte Standard (Dummy, Referenzteil, etc.) muss dann kalibriert sein. Nur so weiß der Anwender den richtigen Wert und kann die Anforderungen und Funktion einer Prüfeinrichtung unter Berücksichtigung der Messunsicherheit überprüfen. Über diese Kalibrierung – sofern professionell durchgeführt – ist dann auch die Rückführung an die internationalen Standards sichergestellt. Es geht bei dem Thema „Sicherstellung gültiger und zuverlässiger Messergebnisse“, nicht in jedem Fall um die Kalibrierung von Mess- und Prüfmitteln, sondern um die Entwicklung und Qualifizierung von geeigneten Mess- und Prüfeinrichtungen, die gültige Mess- und/oder Prüfergebnisse inkl. Berücksichtigung der Messunsicherheit sicherstellen.

Mess- und Prüfmittel nicht nach Gießkannenprinzip kalibrieren

Richtig aufgesetzt, kann das Mess- und Prüfmittelwesen somit durchaus sehr wirtschaftlich gestaltet werden, indem nicht alle Mess- und Prüfmittel nach dem Gießkannenprinzip kalibriert, sondern auch die Möglichkeit der Verifizierung genutzt wird. Kein mir bekanntes Managementsystem oder Qualitätssicherungsstandard fordert, dass alle in einer Organisation eingesetzten Mess- und Prüfmittel in jedem Fall kalibriert werden müssen. Da diese Anforderung nicht existiert, können Auditoren diese auch nicht fordern. Es geht um die Feststellung der Eignung von Mess- und Prüfmitteln und deren nachweisliche Aufrechterhaltung durch Kalibrierung oder Verifizierung.

 

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Über den Autor: Jörg Roggensack

Jörg Roggensack ist Elektroniker und Calibration Engineer GAF sowie zertifizierter Auditor für div. Managementsysteme. Er hat umfassende Erfahrung als Managementsystemkoordinator und als Auditor für diverse Regelwerke und Managementsysteme sowie als LEP Assessor, die er in über 25 Jahren bei der Bundeswehr, in der Industrie und bei Zertifizierungsgesellschaften sammeln konnte. Über mehrere Jahre bildete er Kalibriertechniker an der Technischen Schule der Luftwaffe aus und begann seine industrielle Karriere als Kalibrierlaborleiter bei BEYSCHLAG. In diversen Veröffentlichungen, als Herausgeber des Weka Werkes der „Mess- und Prüfmittelbeauftragte“ und als Trainer sowie Coach gibt er Hilfestellungen zur Gestaltung wirtschaftlicher und Normkonformer Mess- und Prüfmittelüberwachungssysteme. www.jr-msq.de

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