Nachhaltig ist eure Qualität aber nicht! – Ein neuer Qualitätsbegriff.23 | 10 | 20

„Qualität ist der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt.“ Das ist seit langem in unserem Fachgebiet, dem Qualitätsmanagement, die Definition von Qualität. Sie entstand, um Klarheit über Konformität und Nichtkonformität zu schaffen. Die Entwicklung einer neuartigen Qualitäts- und Innovationskultur sowie die Berücksichtigung von irrational wirkenden, wahrnehmungsabhängigen, emotionalen Aspekten sowie eine dringend notwendige Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten stellen die Tauglichkeit dieses klassischen Qualitätsbegriffs der ISO 9001-Familie im Unternehmensalltag jedoch in Frage. Folgende Punkte sind dabei genauer zu betrachten:

  • Das Prinzip der Inhärenz, dass Qualität nur innewohnende Merkmale umfasse, ist zu stark einschränkend und für viele heutige Produkte nicht mehr tauglich. Eine moderne Qualitätsdefinition darf sich nicht auf inhärente Merkmale beschränken.
  • Das Prinzip der Anforderungserfüllung ist zumindest für Innovationen bestenfalls eingeschränkt tauglich, wenn diese neue Bedürfnisse adressieren oder bestehende Bedürfnisse neu adressieren, zu denen Nutzer keine Anforderungen formulieren können. Eine moderne Qualitätsdefinition darf sich nicht auf Anforderungen beschränken, sie muss auch Bedürfnisse adressieren.
  • Es gibt bezogen auf die Qualität eine globale ethische Dimension, die über Anforderungs- und Bedürfniserfüllung weit hinausgeht. Eine moderne Qualitätsdefinition muss die gesellschaftliche Gesamtbilanz und damit auch Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigen.

Eine bedeutende Dimension der Qualität ist gesamtgesellschaftlicher Art. Unsere Erde hat in vielerlei Hinsicht begrenzte Ressourcen und unser Lebensraum ist verletzlich. Die Verschwendung von Ressourcen und die Vergiftung und sonstige Beeinträchtigung des Lebensraums von Menschen, Flora und Fauna sind für einzelne Menschen, Teile regionaler Gesellschaften und letztlich für uns alle lebensgefährlich und überlebensgefährdend. Wie ist es um die Qualität von Produkten und Dienstleistungen bestellt, die zwar von Kunden genutzt werden und ihre emotionalen Bedürfnisse befrieden, dies aber leisten, während andere dadurch geschädigt werden? Und ist das nicht noch schlimmer und verwerflicher, wenn eine gleichgute Anforderungs- und Bedürfniserfüllung mit Produkten und Dienstleistungen möglich wäre, die nicht oder signifikant weniger schaden?

Nun ließe sich sagen, dass dazu ja der Gesetzgeber, wirkmächtige Verbände oder Kunden selbst Anforderungen formulieren könnten. Und dann funktioniert die klassische Definition wieder: Qualität ist der Grad der Anforderungserfüllung. Derartige Anforderungen formulieren die genannten Gruppen ja auch in inzwischen ganz ansehnlichem Umfang und durchaus unter dem Druck von Konsumenten und gesellschaftlichen Gruppen. Doch in der Realität haben Regelgeber, darunter auch die Gesetzgeber, keine Chance, ein in allen Aspekten nachhaltiges Wirtschaften einzufordern. Dafür ist die Lage insgesamt zu komplex und daher in Teilen auch noch nicht ausreichend verstanden. Oft entstehen ungewollte negative Effekte gutgemeinter Interventionen. Zudem gibt es zu viele Ziel- und Interessenkonflikte. Immer wieder weichen Gesetzgeber bestehende Regeln auf oder verweigern neue Regelsetzungen, weil sie Interessen der einen Klientel zu Lasten der anderen begünstigen, weil sie Wirtschaftswachstum nicht gefährden wollen oder aus anderen politischen und sonstigen Motiven. So bleiben Anforderungen an die Qualität bestehen, die für einzelne Gruppen oder die Gesamtgesellschaft schädlich sein können. Ist dann Anforderungserfüllung wirklich Qualität?

Auch viele Konsumenten entscheiden und handeln nicht nachhaltig. Manche aus Unwissenheit, viele gegen besseres Wissen und zum eigenen Vorteil, wieder andere sind in Lebensumständen, die eine Wahrnehmung dieser Verantwortung erschweren oder unmöglich machen.

Für die Gesellschaft ist die Gesamtbilanz aus Nutzen und Wertschöpfung sowie Schaden und Ressourceneinsatz relevant, die den kompletten Lebenszyklus von der Idee bis zur Entsorgung umfasst. Allerdings gibt es keinen Konsens darüber, wie das eine oder das andere aus gesellschaftlicher Sicht zu bewerten ist.

Sowohl Konsumenten als auch Hersteller haben eine weitreichende Verantwortung. Es liegt in der ethischen Verantwortung von Konsumenten, Produkte zu fordern und zu bevorzugen, deren Bilanz für die Gesellschaft akzeptabel ist. Es gehört zur ethischen Verantwortung der Hersteller und Anbieter, die gesellschaftliche Gesamtbilanz ihrer Produkte und Dienstleistungen zu verbessern, mehr noch, zu optimieren. Natürlich verstärkt das bestehende und schafft neue Zielkonflikte – wäre es leicht oder unstrittig müssten wir nicht darüber reden.

Doch wie kann gestützt auf diese Betrachtungen und Schlussfolgerungen eine moderne Qualitätsdefinition aussehen? Ein pragmatischer Ansatz ist es, die bestehende Definition zu nehmen und sie so anzupassen, dass sie die drei oben hergeleiteten Aspekte berücksichtigt. Dieser Prozess erfolgt stufenweise:

Ausgangssatz:
Qualität ist der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt.

  1. Erste Iteration: Wegfall „inhärent“.
    Qualität ist der Grad, in dem ein Satz von Merkmalen Anforderungen erfüllt.
  2. Zweite Iteration: Berücksichtigung der Bedürfnisse.
    Qualität ist der Grad, in dem ein Satz von Merkmalen Anforderungen und Bedürfnisse erfüllt.
  3. Dritte Iteration: Berücksichtigung der gesellschaftlichen Gesamtbilanz (Nachhaltigkeit).
    Qualität ist der Grad, in dem ein Satz von Merkmalen Anforderungen und Bedürfnisse erfüllt sowie eine günstige Gesamtbilanz für die Gesellschaft erzeugt.

(Anmerkung: Günstig meint, sowohl eine weniger negative als auch eine stärker positive Bilanz zu schaffen.)


Was meinen Sie: ist das ein Qualitätsbegriff, der uns anspornen kann, besser und nachhaltiger zu werden? Taugt der für die Praxis oder bleibt nachhaltige Qualität eine Utopie?

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.

34 Kommentare bei “Nachhaltig ist eure Qualität aber nicht! – Ein neuer Qualitätsbegriff.”

  1. Eine günstige Gesamtbilanz für die Gesellschaft…, ist zu nebulös und wird von jeder Partei unterschiedlich beurteilt.
    Ich würde schreiben: …sowie eine künftige positive Erwartung erfüllt.

    1. 7f73d6f7905b77364eb75cf28b745fd4 Benedikt Sommerhoff sagt:

      Ja, das sehe ich selbst auch so. Mir ist bisher nichts Besseres eingefallen, da freue ich mich über geeignete Vorschläge aus dem DGQ Netzwerk. Ist aber auch beliebig schwierig, weil es keine neutrale Instanz gibt, die das bewertet.
      Mi war erstmal wichtig, die grundsätzliche Idee zu beschreiben. Die ist an mehreren Stellen noch verfeinerungs-, entwicklungs- und änderungswürdig.

  2. 9dcc9c922ba882703748f693afc98cdc Pasqual Jahns sagt:

    Mir fällt spontan nicht ein Produkt ein, was ich als nachhaltig bezeichnen würde. Streng genommen ist, jedenfalls aus meiner Sicht, etwas nur nachhaltig, wenn nach der Verwendung der Ressource entweder eine ausgeglichene soziale und ökologische Bilanz oder im besten Fall sogar ein positiver Einfluss gegeben ist.
    Wenn man diese Komponente in den Qualitätsbegriff einbezieht wird man jedenfalls in naher Zukunft nie eine gute Qualität sondern im besten Fall eine nicht so schlechte Qualität abliefern – ist vom Marketing Gesichtspunkt bestimmt nicht sehr brauchbar:-)
    Nur mal laut gedacht, wenn man allerdings die Qualität gleichsetzt mit etwas wofür der Kunde bereit ist zu bezahlen, würde man auch die Bedürfnisse derer decken, die auf Nachhaltigkeitsaspekte besonders wert legen…
    Da es für Unternehmen normalerweise nicht besonders attraktiv ist Umwelt- oder Sozial-Kosten zu tragen ist denke ich rein volkswirtschaftlich gedacht der Staat gefragt. Wenn jetzt der Gesetzgeber z.B. Steuern erhebt oder nicht nachhaltiges Handeln durch Subventionen steuert, werden sich auch die Produkte verändern, bzw. der Kunde wird vermutlich seine Kaufentscheidung indirekt durch die Mehrkosten anpassen.

    Klar wäre eine intrinsische Motiviation der Unternehmen schöner, aber da es kaum ein Unternehmen gibt das nicht durch finanzielle Kennzahlen getrieben ist, wird sie dieses Dilemma aus meiner Sicht auch nicht durch einen neuen Qualitätsbegriff verändern lassen.

    1. ecfb567e86a808a29535a88eb6f3544c Benedikt Sommerhoff sagt:

      Absolut gesehen stimme ich zu, deswegen können wir das nur relativ betrachten. Welches Auto, welche Steckrübe, welche Internetseite entsteht unter relativ geringerem Ressourceneinsatz und geringerem Kollateralschaden, als andere.
      Dreit Parteien werden gebraucht:
      – ein diessbezügliche fordernder Kosument/Kunde (wird aber immer nur ein Anteil x sein)
      – Anbieter mit eigenen Werten
      – ein Gesetzgeber, der von Egoisten Gemeinwohlorientierung einfordert.

      Mir ist wichtig zu wissen, was ist unser Anspruch als Qualitätsmanager? Zunächst einmal unabhängig davon, was sich davon konkret gegen offensichtliche Widerstände durchsetzen lässt.

      1. 9dcc9c922ba882703748f693afc98cdc Pasqual Jahns sagt:

        Kann nicht dieser Anspruch auch wieder mal dazu führen das QM so einen schlechten Stand hat, wenn man versucht als Prediger nun auch noch Nachhaltigkeit in das Unternehmen zu „drücken“, wenn es dazu vielleicht (mal wider) keine Unterstützung durch die Geschäftsführung gibt?

        Ich denke man hat eine gute Chance etwas zu bewirken wenn man ein IMS dazu nutzt gute und für das Unternehmen sinnvolle Ideen zu initiieren, aber Nachhaltigkeit ohne die dritte Säule Ökonomie habe ich noch nirgendwo nachhaltig umgesetzt gesehen…

  3. c54e29b2c1ab610a41b9565de8383e71 Willi Kopp sagt:

    Mit großem Interesse habe ich die Überlegungen von Herrn Sommerhoff zustimmend gelesen. Dringend sollte man den Begriff Anforderungen erweiteren: …Anforderungen nachhaltig erfüllt“ Und dazu eine Anmerkung zu nachhaltig.
    Auch die jetzige Anmerkung „…schlechte Qualität“ sollte auch dringend gestrichen werden, da dies insich ein Widerspruch ist.

    1. 7f73d6f7905b77364eb75cf28b745fd4 Benedikt Sommerhoff sagt:

      Ihren Vorschlag finde ich gut. Wobei dann immer noch zu klären ist, was nachhaltig ist. habe versucht, das mit der „Gesamtbilanz“ zu adressieren.Doch wer macht die. Schwierig und immer strittig.
      Ich glaube ich verstehe, warum Sie den Begriff „schlechte Qualität“ als widersprüchlich bezeichnen. Aber letztlich sind wir doch davon zahlreich umgeben, von schlechter Qualität. Formal i.O. aber in mancherlei Hinsicht ein Desaster. Ich nenne das auch Pseudoqualität. Das ist ja gerade die Krux am heutigen Qualitätsbegriff. Wer die Anforderungen erfüllt, liefert immer Qualität. Dennoch gibt es doch besseren Wein und schlechteren Wein, bessere und schlechtere Autos, bessere und schlechtere Lebkuchen. Gute Qualität ist ja auch ein etablierter Alltagsbegriff. Wo es gute Qualität gibt, gibt es da nicht auch schlechte?

  4. f4f0570db6ebe6448e5306fba6e995f7 Peter Sasahara sagt:

    1) Umwelt- und Energiemanagmentsysteme nehmen wichtige gesellschaftliche Bedürfnisse auf. Das wäre ein weiteres Argument für eine entsprechend angepasste Definition der Qualität.
    2) Software, Apps sind Produkte, die sich einem viel größeren Publikum stellen als z.B. eine Vakuumpumpe es tut. Wenn wir mit einer neuen Qualitätsdefinition eine nachhaltige Wirkung erzielen wollen, ist es hilfreich die Perspektive zu wechseln: Vom Hersteller zum Konsumenten zum Betroffenen und wieder zurück.
    3) Audit Anregung: Produkte (z.B. Batteriezellen für Automobilindustrie und Apps) und Dienstleistungen, die einen großen Kundenkreis ansprechen, sollten intensiv nach den Auswirrkungen auf alle interessierte Parteien und auf gesellschaftliche Auswirkungen hin untersucht werden.

    1. 7f73d6f7905b77364eb75cf28b745fd4 Benedikt Sommerhoff sagt:

      en perspektivenwechsel finde ich wichtig. Die Wahrnehmung von Qualität bei Kunden ist fpr das Unternehmen entscheidend. Dabei kann es sein, das Kunden echte Qualität nicht wahrnehmen und Pseudoqualität für Qualität halten. Ein kommunikative Herausforderung. Wobei das Unternehmen für sich entscheiden muss, ob es Pseudoqualität propagieren will.

      Das Audit gibt aus meiner Sicht nicht her, derart auf gesellschaftliche Auswirkungen zu schauen. ich denke, das muss eigens geschehen, nicht im Audit.

  5. Hallo Benedikt, vielen Dank das du mein Thema aufgegriffen hast. Bei meinem letzten Vortrag im RK Berlin habe ich genau dein beschriebenes Thema bzgl. Qualität adressiert. Ich habe die These aufgestellt, dass aus „Produkt- und Systemqualität“ in Zukunft „Unternehmensqualität“ wird. Der Verbraucher wird sich mehr und mehr an der nachhaltigen Ausrichtung einer Organisation bei seiner Kaufentscheidung orientieren. Das Thema CSR wird eine entscheidende Rolle spielen. Daher könnte die Definition für Qualität vielleicht wie folgt aussehen:

    Qualität ist der Grad, in dem ein Satz von Merkmalen Anforderungen und Bedürfnisse erfüllt sowie die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen als Teil des nachhaltigen Wirtschaftens berücksichtigt.

    Grundlage für diese Qualitätsdefinition bilden aus meiner Sicht u.a. die Leitlinien des Ehrbaren Kaufmanns in Verbindung mit eine echten und ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbetrachtung im Sinne von CSR.

    Vielleicht sollten wir das Thema „Qualität wird neu definiert“ in einem spontane AK beleuchten. Die Arbeitskreis sollte nur solange existieren, bis eine neue Definition gefunden wurde. Ich arbeite gerne mit, da mir das Thema persönlich sehr am Herzen liegt.

    Interessierte steht mein Vortrag in DQGaktiv zur Verfügung bzw. kann bei mir angefordert werden: jr@jr-msq.de

    Gruß
    J. Roggensack

    1. 7f73d6f7905b77364eb75cf28b745fd4 Benedikt Sommerhoff sagt:

      Dein Angebot zur Mitarbeit ist hochwillkommen. Es werden in den nächsten Wochen noch weitere Blogbeiträge zum Thema kommen, auch Du bist herzlich zum Bloggen eingeladen. Und dann sollten wir wirklich eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern bilden, die sowohl das Thema nachhaltigkeit und Qualität als auch das Thema Qualitätsbegriff adressiert.

  6. e5a4699c76e0ff3af04c375d4e58fd50 Jochen Heins sagt:

    Zur Diskussion ein Gedankenbeitrag: Man sollte meines Erachtens nicht vergessen, aus welcher kulturellen Ecke „unser Qualitätsmanagement“ kommt. Es ist ein Kind des Taylorismus, geprägt von dem Gedanken, mit wissenschaftlicher Herangehensweise ein optimales, gleichförmig verfügbares Ergebnis so effizient wie möglich zu erreichen. Damit bewegen wir uns hochgradig auf der Normierungsseite, es ist der Gedanke des „Best Practise“. Das „wissenschaftliche Herangehen“ des QM ist das Planen, Umsetzen, Prüfen, Verbessern (PDCA). Anforderungen werden in Kennzahlen umgesetzt, um „prüfbar“ zu werden. Das führt zur „Standardisierung“, um den PDCA im Level zu heben – und hat als Feind die Komplexität (nicht mit „Kompliziert“ zu verwechseln, denn das ist algorithmisch greifbar!), also eben den Zufall und das Unvorhersehbare und somit alles das, was heute das VUKA-Umfeld ausmacht. Was in der Produktion mittels Statistik und Materialprüfung objektivierbar umzusetzen ist, bei ausreichend starren Rahmenbedingungen, ist im Dienstleistungsprozess schon schwerer zu greifen (Erstellen und Interpretation von Kundenumfragen, Auswertung von Beschwerdemanagement, etc.) und ist meiner Einschätzung nach im sozialen Interaktionsumfeld mit immateriellen „Produkten“ (z. B. Vorträge, Beratung und Coachings, „Events“, etc.) am schwierigsten (da geprägt von subjektiven Rückkoppelungen).

    Wenn man jetzt diesen kulturellen Hintergrund des QM honoriert, welcher Methoden und Instrumente generiert hat, die bereits in der Vergangenheit im erweiterten Umfeld jenseits der klassischen Produktion an herausfordernde Grenzen gestoßen sind, so stellt sich für mich die Frage, ob man durch eine „Dynamisierung“ oder mit Versuchen zur Agilisierung dann überhaupt noch von einem Qualitätsmanagement sprechen darf und kann, oder ob man nicht gerade etwas völlig neues generiert, was einen ganz anderen Begriff benötigt.
    Symptomatisch zeigt sich mir dies an den in den vorgehenden Diskussionen aufgezeigten Schwierigkeiten, den Begriff „Qualität“ neu zu fassen. Dieser war schon immer sperrig als Begriff, da nichtssagend. Das Bild vom Elefanten, der von blinden Weisen an verschiedenen Stellen betastet wird, kommt mir in den Sinn. Ist Qualität ein flexibler Schlauch, weil ich gerade zufällig den Rüssel betaste? Oder eine Massive Säule (das Hinterbein)? Usw., das Beispiel ist ja hinlänglich bekannt. Es braucht immer erst eine konkrete Festlegung („Das ist Qualität – für uns!“) um im taylorschen Sinne steuerbar zu werden. Denn das ist das Ziel: Steuern. Aber genau das ist im komplexen (nicht: „komplizierten“!) Umfeld nur noch bedingt und selten planbar möglich. Dafür steht aber der Begriff „Management“ hinter der „Qualität“.

    Wir überfordern meiner Meinung nach das Qualitätsmanagement, wenn wir ihm aufdrücken, die Welt sozial und nachhaltig verbessern zu müssen. Es ist dafür nicht das geeignete Instrument. Stattdessen sollte man meiner Ansicht nach die Grenzen genauer ziehen, die die verbleibende Nische besser abgrenzen. Ich sehe da nach wie vor die standardisierbaren Bereiche („Wertschöpfung der Norm“), quasi Inseln der Stabilität, die den formalen Organisationsaufwand eines QM legitimieren. Im Spannungsfeld daneben, den hochvolatilen komplexen Umfeld („Wertschöpfung der Ausnahme“), sehe ich ein „Management von Qualität“ nicht mehr, da sich Qualität hier weitgehend darin erschöpft, in welchen Zeitraum überhaupt Lösungen geschaffen werden, die Güte ist da schon fast zweitrangig (wenn auch trotz allem gefordert, dennoch kaum valide planbar). Aber die zunehmend flexible Lösungsorientierung ist mehr Management der Organisation, nicht Management der Qualität.

    Vielleicht bin ich auch zu pessimistisch. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das Ergebnis dieser Diskussion nicht mehr „Qualitätsmanagement“, sondern eher „Organisationsmanagement“ heißen wird. Zukünftig wird es wohl weniger um das „Was“ gehen, sondern das „Wie“ wird im Fokus sein.

    Mein Vorschlag daher zum Begriff: Wenn wir das Qualitätsmanagement in seiner Nische belassen, könnte man einfach nur „inhärent“ streichen und „Bedürfnisse“ ergänzen, um den Dienstleistungen gerecht zu werden. Die Definition bleibt auf „Ergebnissteuerbarkeit“ hin ausgerichtet. Das würde dann so lauten: „Qualität ist der Grad, in dem ein Satz Merkmale Anforderungen und Bedürfnisse erfüllt“. Die Iterationen 1 und 2 gehe ich also gerne mit. Nr. 3 führt meines Erachtens geradewegs zu einem toten Pferd.

    1. 7f73d6f7905b77364eb75cf28b745fd4 Benedikt Sommerhoff sagt:

      „Pessimismus des Verstandes und Optimusmus des Willens“ sagte Antionio Gramsci einmal.In Ihrem Bitrag stecken ganz viele Facetten, die ich gerne aufgreifen und vertiefen möchte. Hier antworte ich zur Zeit nur kurz. Haben auch Sie Lust, die Themen in der von Jörg Roggensack vorgeschlagenen Arbeitsgruppe zu vertiefen? Zur Zeit ohnehin online und deshalb sicherlich ohne den Zusatzaufwand von Reisen.

      (Doppelpost, damit er unter dem Beitrag steht, auf den er sich bezieht.)

      1. 9dcc9c922ba882703748f693afc98cdc Pasqual Jahns sagt:

        Da ich mich einige Jahre mit dem Thema Nachhaltigkeit und auch die Bewertung von Nachhaltigkeit beschäftigt habe, würde ich mich auch gern mit in der Arbeitsgruppe einbringen.

        1. 7f73d6f7905b77364eb75cf28b745fd4 Benedikt Sommerhoff sagt:

          Klasse!

        2. a36138e92514043c7a8832cf07b77413 Claudia Kellner sagt:

          Hallo Pasqual Jahns,

          ersteinmal vielen Dank für Ihren Beitrag im online Forum.

          Ich beschäfttige mich im Rahmen meiner Masterarbeit zum Thema „Kreislaufwirtschaft im Baugewerbe – eine Analyse zum Stand der aktuellen Nachhaltigkeit“, ebenso mit Nachhaltigkeit.
          Neben sozialen, ökoligischen und ökonomischen Zielkonflikten, existieren wie immer Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis – politischem Willen und ganzheitlichen Lösungen.
          Mich treibt aktuell die Bewertung von Nachhaltigkeit um. Welcher Ansatz kann einen sinnvollen Beitrag zur Bemessung von Nachhaltigkeit leisten und wie können Bewertungen und Kalkulationen praxistauglich bemessen werden?
          Über Input, aber auch vor allem an der Partizipation der genannten Arbeitsgruppe bin ich sehr interessiert. Kann ich dieser Gruppe beitreten? Die möglichkeit würde mich überaus freuen.

          Mit besten Grüßen

          Claudia Kellner

      2. e5a4699c76e0ff3af04c375d4e58fd50 Jochen Heins sagt:

        Ja, bin gerne dabei. Kontaktdaten sind ja bekannt.

        1. 7f73d6f7905b77364eb75cf28b745fd4 Benedikt Sommerhoff sagt:

          Noch einmal: klasse!

  7. 7f73d6f7905b77364eb75cf28b745fd4 Benedikt Sommerhoff sagt:

    „Pessimismus des Verstandes und Optimusmus des Willens“ sagte Antionio Gramsci einmal.In Ihrem Bitrag stecken ganz viele Facetten, die ich gerne aufgreifen und vertiefen möchte. Hier antworte ich zur Zeit nur kurz. Haben auch Sie Lust, die Themen in der von Jörg Roggensack vorgeschlagenen Arbeitsgruppe zu vertiefen? Zur Zeit ohnehin online und deshalb sicherlich ohne den Zusatzaufwand von Reisen.

  8. aa7d3f4e57bcecb3ea0b57b36681b598 Olaf Biethan sagt:

    Ich habe mal eine ganz simple Definition von Qualität gelernt und verinnerlicht. „Qualität ist wenn der Kunde zufrieden ist“ (und wiederkommt)
    Daher würde ich folgende Definition favorisieren:
    „Qualität ist der Grad, in dem ein Satz von gewünschten Merkmalen Anforderungen und Bedürfnisse erfüllt.“
    Was nutzen mir als Kunde erfüllte Merkmale die ich nicht benötige.
    Als Kunde können auch nicht nachhaltige Merkmale Kaufgrund sein. Zum Beispiel ein großes übermotorisiertes Auto.
    Nachhaltigkeit hat daher nichts mit dem Qualitätsbegriff zu tun.

    1. 7f73d6f7905b77364eb75cf28b745fd4 Benedikt Sommerhoff sagt:

      Ja, Zufriederheit ist wichtig, reicht aber nicht aus. Überlegungen dazu finden Sie unter
      http://blog.dgq.de/vergessen-sies-kundenzufriedenheitsbefragungen/

      Sie oder wir müssen Qualität und Nachhaltigkeit nicht miteinander verbinden. das hat in unserer Welt aber harte Konsequenzen. Wer will, darf die beiden Aspekte miteinander verknüpfen, einige machen das ohnehin schon. Es es letztlich eine Frage der eigenen Ambition, insbesondere der, des Unternehmers.

  9. 5c0da5e1ee026bc2f8b063ce12cd3b72 Oliver Lütke sagt:

    In einer Zeit, in der „Qualität“ – generell positiv besetzt – oft nicht mehr zu den Kundenerfahrungen mit der Produktgüte
    und dem (Dienstleistungs-)Verhalten vieler Unternehmen passt, ist ein anderer Qualitätsbegriff als der in den Normen
    definierte sinnvoll. Die Norm selbst hat m.E. einen Begriff geprägt, der lediglich die Ausprägung von Qualität beschreibt (QS) und viel zu spät ansetzt.

    Es gibt einen Begriff, der schon im Vorfeld ansetzt, weil Qualität letztendlich im Kopf mit der Entscheidung und dem Plan beginnt, wie ich mir nutze und was ich mit meinem geplanten Handeln erreichen möchte:

    a) Nutze ich mir Indirekt materiell, ohne Ansehensmaximierung eher spielerisch mit Produkt-/Dienstleistungsfokus, indem ich die Lösung interessanter Themenstellungen vorantreibe
    (Prinzip erfolgreicher Unternehmer wie Robert Bosch, Hans Liebherr, Gottfried Daimler, Joachim Pabst von Ohain, etc.). Dann bin ich, was ich sage und tue oder

    b) nutze ich mir direkt materiell und mit direkter Ansehensmaximierung ohne Kundenfokus – der Kunde ist allenfalls ein Vehikel, was es zu „melken“ gilt, Dann bin ich, was ich habe.

    Qualität ist für mich die Mutter aller (Wert-)Haltungen
    und danach ist sie in Ihrer Wirkungsrichtung, fokussiert auf

    a) Produkte/Dienstleistungen für Mitarbeiter, Kunden, Natur/Umwelt, etc. oder
    b) Systemgestaltung zur hoch qualitativen Eigenerhöhung

    zu differenzieren. In beiden Fällen a) und b) werden Träume wahr. Qualität differenziert eben sich am „Haben“ oder am „Sein“. Das ist vielleicht eine interessante Spielart, die man diskutieren könnte. Dazu ist in diesem Jahr die vierte Auflage meines Buches „Qualität und kulturelles Kapital – wie Haltungen das Ergebnis von Handlungen beeinflussen“ erschienen.
    Produktinformationen: Broschiert : 4. erweiterte Auflage, 373 Seiten, ISBN-13 : 978-3866246379
    Herausgeber : Winter Industries; überarbeitete Edition (2. November 2020)

  10. Aus meiner Perspektive ist Ihre Konzeption der Iterationen nicht schlüssig.

    Die 1. Iteration ist im Grunde Wortklauberei.
    Ein Merkmal eines zu betrachtenden oder zu bewertenden Objektes ist grundsätzlich inhärent (lat. an etwas klebend, haftend), sonst wäre es kein Merkmal des Objektes.

    Die 2. Iteration setzt die Anforderung und Bedürfnisse gleich. Hier besteht allerdings eine Hirarchie.
    Eine der zentralen Leistungen in der Entwicklung eines Produktes besteht in der Übersetzung der Bedürfnisse einer Zielgruppe in die Anforderungen an das Produkt, z.B. über ein Verfahren wie ein House of Quality oder TRIZ. Die Festlegungen aus dieser Umsetzungen können passend oder unpassend sein, und damit die Bedürfnisse mehr oder weniger abbilden. Es kann auch sein, dass Bedürfnisse als solche nicht erkannt oder berücksichtigt werden.
    Eine wesentliche Eigenschaft eines Qualitätsmerkmals ist der Umstand, dass ich dieses MERKMAL beeinflussen kann. Die BEDÜRFNISlage beeinflussbar zu betrachten, ist eine Forderung aus dem Marketing. Man kann naturlich das Marketing auch zum Produktmerkmal erklären und dies gleichwertig zu anderen Produkteigenschaften betrachten.
    Insgesamt ergibt sich allerdings keine Begründung dafür, warum die Wunschvorstellung der Zielgruppe gleichwertig zu meinem gewünschten Grad der Umsetzung sein soll.

    Die 3. Iteration ist nicht aus QM-Sicht nicht plausibel.
    Ein wesentliche Eigenschaft eines Qualitätsmerkmals ist dessen Beeinflussbarkeit, dies beinhaltet neben der Wahrnehmungsfähigkeit eines Unterschiedes die Beurteilungsfähigkeit im Kontext, der dann ebenfalls überschaubar sein muss. Die von Ihnen vorgeschlagene Definition beinhaltet aber den Blick in die Zukunft ohne Festlegung, wann die Gesamtbilanz für die Gesellschaft gezogen werden soll. Mir fallen dutzende Ereignisse ein, deren Bewertung in einem 5-Jahres-, 10-Jahres, 50-Jahres oder 100-Jahres-Horizont diametral unterschiedlich ist.

    Als kleines Beispiel sei hier die Befriedigung des weltweite Energiehungers der letzten 200 Jahre genannt, die im Hinblick auf die jetzigen klimatischen Veränderungen sicherlich nicht mehr die gleiche „günstige Gesamtbilanz“ ausgewiesen bekommt wie noch vor 50 Jahren.

    1. 7f73d6f7905b77364eb75cf28b745fd4 Benedikt Sommerhoff sagt:

      Vielen Dank für Ihr die Diskussion bereicherndes Kontra.
      Wortklauberei ist doch auch nur ein umgangssprachlicher Begriff für Terminologiearbeit. Das Ringen um alte und neue Begriffe ist immer anfällig für Überspitzungen, neue Missverständnisse, Verirrungen, aber auch für neue Klärungen, Erkenntnisse und Paradigmenwechsel. Manchmal ist es auch ein Indikator für die Notwendigkeit von Paradigmenwechseln.
      Wenn Merkmale, wie Sie sagen, grundsätzlich objektinhärent sind, dann ist der Begriff ja redundant und kann entfallen. Soll mir recht sein, ich würde ohnehin gerne auf ihn in der Qualitätsdefinition verzichten. Meine zusätzliche Anregung ist, den Aspekt der Perzeption von Qualität im Qualitätsmanagement stärker zu berücksichtigen. Dabei kommt es nicht nur auf innewohnende Eigenschaften, sondern auch auf unabhängig davon zugeschriebene Eigenschaften an. Nicht Marketing wird so zum Merkmal, sonders es ist eine Marketingaufgabe, Prozesse der Perzeption zu managen, wissend, dass das an Grenzen stößt, die der kaufende, konsumierende und nutzende Mensch selbst für die Manipulation seiner Perzeption setzt. Ein ganzheitliches Qualitätsdenken und -handeln dürfte auch letztlich gar nicht so sehr zwischen den Funktionen Qualitätsmanagement und Marketing unterscheiden.
      Meinen Versuch, Qualität und Nachhaltigkeit zu verbinden sehe ich selbst nicht als derart gelungen, dass dafür schon Praktikabilität bestünde. Sie sprechen diesbezüglich relevante Aspekte an, wie den Bilanzzeitraum. Hinter meinem Versuch steht die mich zunehmend belastende Beobachtung, dass heute als Qualität gelten darf, was enorm schädlich für einzelne und die Gesellschaft ist, nur weil es formale Anforderungen erfüllt. Ich finde, das konterkariert unsere Bemühungen um Qualität. So manche legal produzierte Wurst ist unappetitlicher Beleg für diese These. Und bezüglich Qualität geht es immer wieder um die Wurst.

      1. Der Begriff Wortklauberei ist meinerseits nicht zwingend negativ konnotiert. Ich sehe hier, wohl so wie Sie, ein „doppelt gemoppelt“, d.h. eigentlich ist der Begriff hier überflüssig, diesbezüglich besteht Konsens.
        Sie benutzen im o.g. Kontext den Begriff „Perzeption“, ohne diesen zu definieren und bieten diesen damit zu freien Interpretation an. Hier beginnt eine Beliebigkeit, an der ich mich reibe.
        Die. o.g. Passage könnte dahingehend verstanden werden, dass die Leistung des QM wertschätzender wahrgenommen werden könnte. QM ist originäre Leitungsaufgabe, wer sich also selbst nicht leiden kann…! Es könnte auch aus dem Mund der QM-Mitarbeiter sein, dann klingt das einwenig nach Jammern auf hohem Niveau.
        Als zweite Interpretation wäre die Fähigkeit der Messung von produktbezogenen Merkmalen zu nennen, die auch z.B. den Marktanteil oder den Bekanntheitsgrad des Brandings umfassen kann. Die Festlegung der Parametern, an denen der Erfolg eines QMs bestimmt wird, ist Aufgabe der Leitung….

        Die Grundthese Ihres Artikels war doch, brauchen wir einen neuen Qualitätsbegriff, um dem Phänomen der Nachhaltigkeit in irgendeiner Weise gerecht zu werden.
        Wenn der Begriff der Nachhaltigkeit bezüglich meines Produktes oder meiner Dienstleistung definiert und operationalisiert ist, ein PDCA-Zyklus exisitert, bewege ich mich klassisch im QM. Meines Erachtens ist eine Änderung des Qualitätsbegriffes nicht angebracht.

      2. Hallo Zusammen, sehr interessante Diskussion. Perzeption in Verbindung mit QM zu verwenden betrachte ich als nicht zielführend. Hier wird wieder versucht QM in die Organisationsentwicklungskiste zu packen. Organisationsentwicklung umfasst mehr, als nur QM. Die Definition für QM ist sehr sauber und aus meiner Sicht auch richtig: Teil eines Managementsystems bezüglich der Qualität“. Eine bessere Definition für den Begriff „Qualität“ zu finden, als die derzeit von der ISO festgelegte Definition wird nicht einfach. Sicherlich kann das ein oder andere Wort (welches nur irreführend ist und weiterer Erklärungen in den Anmerkungen bedarf) weggelassen werden. Was ist eine hohe Qualität und was ist eine schlechte Qualität? Um diese Frage einigermaßen beantworten zu können, muss man sich wieder auf Anforderungen konzentrieren. Gegen Anforderungen kann geprüft werden. Anforderungen sind in der ISO 9000 umfassend definiert worden: „Erfordernis oder Erwartung, das oder die festgelegt, üblicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend ist.“ Das schöne an dieser Definition ist, dass eine Anforderung mehrere Ursprünge hat. Und in den meisten Fällen unserer Konsum- und Informationsgesellschaft definieren Kunden nicht die Anforderungen an eine Dienstleistung oder an ein Produkt. Innovation ist aus meiner Sicht der Treiber für Anforderungen. Aus den dem Kunden zur Verfügung gestellten Innovation, Information entsteht dann bei Annahme oder Akzeptanz eine Anforderung. Diese Erfüllung dieser Anforderung lässt sich dann prüfen und somit eine Aussage zur Qualität machen. Ich erinnere hier nur an das erste Automobil von Carl Benz. Kaum einer der damals Lebenden Menschen konnte der Vision von Carl Benz folgen. Somit gab es auch keine Anforderungen der Kunden an die Qualität eines Automobils. An die einer Kutsche und deren Pferde jedoch. Qualität muss sich an Anforderungen orientieren und das Management eines Systems um die Umsetzung der Anforderungen innerhalb einer Organisation um die definierte Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung sicher darstellen zu können.

        1. 7f73d6f7905b77364eb75cf28b745fd4 Benedikt Sommerhoff sagt:

          Ne-ne, Jörg, nicht hinter jedem Busch, den ich pflanze, lauert die Organisationsentwicklung. Mit dem Thema Quality Perception, auf deutsch sowohl Qualitätsperzeption als auch Qualitätswahrnehmung befasst sich der Lehrstuhl QM und Fertigungsmesstechnik an der RWTH Aachen sehr intensiv und mit spannenden Erkenntnissen. Im aktuellen und wohl auch im neuen „Masing“ (die neue 7. Auflage vom Hanser Verlag für April 21 angekündigt) unter Herausgeberschaft des heutigen und des früheren Lehrstuhlinhabers, der Professoren Schmitt und Pfeifer ist dazu einiges ausgeführt.

        2. f4f0570db6ebe6448e5306fba6e995f7 Peter Sasahara sagt:

          Nach der Lektüre jedes Blog Beitrags sage ich mir „dem stimme ich weitgehend zu“. Der lateinische Ursprung qualitas wird mit Beschaffenheit zur Eignung übersetzt. Darauf aufbauend wurde mir im QB Camp das QM System erläutert, an dessen Anfang das Kano Modell steht: Mit der Zeit wachsen die Kundenansprüche und was früher begeisterte (z.B. Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit, Arbeitsbedingungen) wird zur Normalität. Ein „gelebtes“ QM System stellt sich darauf ein. Die Definition für „qualitas“ jedoch sollte die Zeiten unverändert überstehen.

  11. Wolfgang Schlenzig sagt:

    Die Beiträge der Herren Dr. Sommerhof und Votsmeier in der QZ 01-2021 zum Qualitätsbegriff sind eine schöne Auflassung für einen philosophischen Diskurs..
    Dafür danke ich Ihnen schon mal.
    Wenn man sich so anguckt wie auf unserer Erde gewirtschaftet wird und was wir unter Nachhaltigkeit und Degrowth so verstehen,
    sind wir geneigt, eingedenk unser sich verändernden Bewusstseinshaltung, in den zentralen Begriff für die Produkt-/Leistungsgüte, den Qualitätsbegriff, so viel wie möglich davon reinpacken.

    Ich plädiere aber dafür, den Qualitätsbegriff so zu lassen wie er ist.
    In einer hoch anerkannten, weltweit angewendeten Normenreihe, namentlich ISO 9000 und ISO 9001, kann es nur einen so allgemeinen, die allgemeinst mögliche Formulierung, geben.
    “Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale eines Objekts Anforderungen erfüllt.”
    Da kann Mensch alles reinlegen. Das was sich Dr. Sommerhoff wünscht und aber auch das was Herr Votsmeier meint ausschließen zu können, wie den Preis oder auch das Herkunftsland.
    Die Anforderungen für inhärenten Merkmale eines Objektes sind subjektiv, ja willkürlich frei wählbar, unterliegen per Definition keiner Einschränkung, gestatten jede Erweiterung/Differenzierung. Z.B. sollten wir kein Flüssiggas aus den USA, egal wie hochwertig es ist als “Qualität” bezeichnen,
    wenn es über allgemein geächtete Frakingmethode entstanden ist.

    Ich habe schon 2000 einen erweiterten Qualitätsbegriff geprägt und aus der allgemeinen Definition der ISO 9000 hergeleitet:
    „Qualität besitzen heute nur Produkte, Verfahren und Systeme, die neben dem vom Nutzer gewünschten Zustand reproduzierbar,
    recyclingfähig mit geringen Kosten, ressourcenschonend und umweltfreundlich herzustellen bzw. zu betreiben sind.
    Die Geisteshaltung für ständig zu optimierende Betriebsorganisation und präzise Prozesse ist Voraussetzung und Inhalt dieser Qualität.
    Angesichts der globalen Umweltprobleme und -bedrohungen für die Menschheit durch oft rücksichtslose Produktion und
    Wirtschaftsexpansion erscheint diese Erweiterung des Qualitätsbegriffes unumgänglich.“

    Und so werden von verschiedenen Gruppen, Anforderungen auch unter weltanschaulichen Aspekten, die dem Objekt implementiert werden, dann inhärent sind, “Qualität” verschieden definiert, obwohl die technischen bzw. die Dienstleistungs-Parameter gleich sind.
    Da in der globalen vernetzten Welt den Menschen nicht immer alle Informationen zur Verfügung stehen bzw. interessierte Kreise diese manipulieren (sowohl Informationen als auch damit Mensch), wird gelegentlich Objekten “Qualität” zugesprochen, die sie (—> siehe Weltanschauung) z.B. bei genauerer Analyse des Objektlebenslaufes für eine bestimmte Menschengruppe nicht haben (z.B. Elektroauto oder Atomkraft oder Gen-Weizen).
    Deshalb sollten wir Europäer, die immer von ihren Werten sprechen, aufbauend auf den allgemeinen Qualitätsbegriff der ISO 9000, spezifisch, differenziert sagen was für uns “Qualität” ist, was die Annahme- und Rückweisekriterien sind, im Einzelnen der Mensch für sein tägliches Leben und für alle in der europäischen Gemeinschaft.
    “Qualität” definieren ist dann auch Abgrenzung.

  12. 71d21ce7cc1751b6c9e4c81c3f032846 Andrea Schranck sagt:

    Hallo zusammen,
    was für ein spanender Dialog! Was mir allerdings hier fehlt ist die gemeinsame Basis. Sprechen wir von Qualität nach der 9001 ff oder geht es um Integriertes Qualitätsmanagement inklusive 14001, 15001 und 45001? Wir vergleichen sonst Äpfel mit Bananen. Ein Qualitätsmanagement nach der 9001 empfinde ich als eindimensional. Hier ist ein qualitativ hochwertiges Produkt eines das den Vorstellungen des Kunden in Beschaffenheit, Menge und Preis entspricht und rechtlichen und gesellschaftlichen Ansprüchen nicht entgegensteht. Im IMS arbeiten wir mit zwei, drei oder mehrfachen Dimensionen, die Anforderungen an die Soziale und Ökologische Leistung unserer Prozesse einbezieht. Damit unterstützen wir die offiziellen Säulen der Nachhaltigkeit. In einem früheren Blog beschreibt Herr Sommerhoff ein schönes Diagramm, das mich an die Grundschule erinnert, es geht um Mengenlehre: https://blog.dgq.de/siehts-aus-die-fachliche-juristische-und-moralische-dimension-der-qualitaet/. Denken wir uns die Kreise als Ökologisch, Ökonomisch und Sozial, dann wird alles was nicht innerhalb der Schnittmenge aus allen drei Kreisen liegt nicht nachhaltig sein, sondern entweder asozial, unrentabel oder umweltschädlich. (Sorry, dass ich mir das Bild geliehen habe, finde es genial, weil anschaulich und einfach). Meine Auffassung von zukünftigem WIRTSCHAFTEN muss es also sein, die Kreise möglichst übereinander zu schieben. Die rechtlichen Leitplanken dazu kommen gerade über uns alle in Form von LkSG und Anfragen zu Nachhaltigkeitsthemen auf allen Ebenen (Wasser, Energie, Abfall, Recyclatanteil und was du nicht gesehen hast). Ich glaube es ist nicht die Aufgabe des QM diese Themen zu implementieren, sondern wir werden diese Themen tragen müssen. Im optimalen Fall im Schulterschluss mit unserer Geschäftsleitung, dann sind innovative, zukunftsorientierte Kreisläufe die neue Tagesordnung. Für alle anderen bleibt Qualität das Mindestmaß an Anforderungen zu erfüllen.

    1. 12fad89dbfa0bd7577219e8081bbd19e Benedikt Sommerhoff sagt:

      Liebe Frau Schranck, dieser Blog war sozusagen eine Vorstufe des späteren Blog, den Sie auch erwähnen (Mengenlehere, moralische Qualität…) und den Sie verlinkt haben. Die Diskussion zu diesem Blogbeitrag hier hat zum anderen wichtige Inspirationen dazu beigesteuert.
      Damals hatte ich noch die Vorstellung, Qualität neu definieren zu können. Im Laufe der Diskussion wurde mir klar, dass das nicht geht und gar nicht nötig ist. Ich finde, wer im Qualitätsmanagement tätig ist, muss mehrere Qualitätsdefinitionen kennen und mit dem Begriff sehr differenziert ziel- und ziwelgruppenspezifisch umgehen können. Sie sprechen von Eindimensionalität und zeigen, dass wir Mehrdimensionalität beötigen, wenn es um Qualität und andere wichtige und oft verwandte Themen geht. „Das bischen Anforderungserfüllung“ das kann unc macht jeder Wettbewerber auch. Dabei kommt aber längst nicht immer Qualität im erweiterten und merhdimensionalen Verständis heraus.

  13. 26c0aeaafd7f863ac6f8c4db26f1a74d Andrea Schranck sagt:

    ich möchte die Erfüllung von Anforderungen nicht klein geredet haben – das ist schwierig und anspruchsvoll und erfordert ein hohes Maß an Frustrationspotenzial. Leider habe ich auch eben erst gesehen, dass dieser Blog schon im letzten Jahr seinen Lauf genommen hat…. Trotzdem spannend! Die Aufgabe unserer Zeit wird die Verteilungsaufgabe sein, gewollt oder nicht. Und je früher die Unternehmen damit anfangen, desto besser werden sie für zukünftige (noch engere Auslegungen von Qualität?) aufgestellt sein. Die Frage ist, wie Sehende Menschen die wirtschaftlichen weltweiten Verflechtungen, Verpflichtungen und Versorgung mit Gütern maßvoll einregeln ohne Wirtschaftlichkeit einzubüßen und trotzdem den Grenzen dieser Erdkugel Rechnung zu tragen. Das geht weit über das Verständnis von Qualitätsmanagement hinaus, sondern erfordert eine Diskussion über Werte.

  14. 5c0da5e1ee026bc2f8b063ce12cd3b72 Oliver Lütke sagt:

    Qualität ist in sich wertfrei. Es bekommt erst durch den Zusatz als „hohe“ oder „niedrige“ Qualität eine Bewertung und Richtung. Die generelle Bezeichnung von Qualität als „Mutter aller Werthaltungen“ macht begründbar,
    1) warum insbesondere QM-Systeme bei einer auf kurzfristigen Gewinn orientierten Organisation langfristig immer wirkungslos sind und bleiben oder der Bereich QM zum Erfüllungsgehilfen und „Qualitätsverantwortlichen“ degradiert wird und
    2) warum grade heutige Ausbeutungssysteme eine besonders hohe Qualität haben, gleichzeitig aber geringe qualitative Ergebnisnutzen für z.B. Käufer entwickeln.
    Die Werthaltung ist der Kern jeglicher Leistung, welchem Ziel sie sich auch immer unterordnen mag. Schließlich gilt: Der Wille folgt keinem System, aber jedes System dem Willen! Dabei ist es also vollkommen egal, ob es sich um eine der uns bekannten Normenreihen handelt (9001, 14001, 50001 SCC, etc.) oder um ein Auto, ein Staats- oder Wirtschafts-System oder eine neue Blumenzüchtung handelt. „Gut“ und „Schlecht“ werden durch die angeführte Definition sichtbar, je nachdem, von welcher Seite aus man betrachtet (kurzfristig Gewinn- und ansehensmaximiert orientiert oder langfristig Kunden- und selbstentwicklungsorientiert).

    1. Wolfgang Schlenzig sagt:

      Ich bin genau der Auffassung von Herrn Lütke.
      Modifizieren heißt immer abschwächen, verwässern, dem Umfassenden, Allgemeingültigen berauben.
      Ich stehe zudem auf Grosbys Ausspruch:
      „Der einzige Zweck des QM besteht darin,
      Mitarbeiter und Lieferanten dazu zu bewegen,
      es sich zu einer tief verwurzelten Gewohnheit zu machen,
      das zu tun, was sie zu tun behaupten,
      Das trifft, wie Herr Lütke schreibt, sowohl auf den Blumenladen, das KMU, den Großkonzern und die Regierung zu.
      Man vergleiche nur die Wahlprogramme mit dem was am Ende wirklich realisiert wurde. In der Wirtschaft gilt was in der Auftragsbestätigung dem Kunden versprochen wird. Und adäquat ist es auch so in den menschlichen Beziehungen. Gerade in der aktuellen QZ 12-2021 wird viel über Vertrauen geschrieben. Genau das ist das Qualitätsversprechen im Sinne von Crosby.
      Und, man muss es leider sagen, obwohl es formal gegeben wurde, wird es nicht selten bewusst gebrochen. Und zwar an allen 3 von mir genannten Stellen.
      das heißt: den vereinbarten Forderungen zu entsprechen.“

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