Meteorologien und andere Merkwürdigkeiten19 | 04 | 16

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Wenn sich zwei Q-Manager in der Pause eines Vortrages über die Bedeutung von Leistungsindikatoren am Kaffeetisch über das Thema des Tages unterhalten, ist folgender Dialog nicht auszuschließen: „Sagen Sie Herr Kollege, welche Methodologie wenden Sie eigentlich an, um Ihre KPIs zu ermitteln?“ Antwort: „Also, in unserem Betrieb arbeiten eigentlich ausschließlich Praktiker!“ „Ah ja. Ich meine: Nach welcher Methodik gehen Sie denn auf der Suche nach den relevanten KPIs vor?“ Antwort: „Wie soll ich das sagen? Wir ermitteln in unserem Haus einfach nur die Leistungsindikatoren, wir diskutieren nicht die Kunst des planmäßigen Vorgehens im Allgemeinen. Wenn sie wissen wollen, wie das in unserem Unternehmen funktioniert, sollten Sie besser fragen, nach welcher Methode wir das tun.“

Wäre die Kaffeepause in diesem Moment nicht schon wieder zu Ende gewesen, hätte der Befragte noch anfügen können: „Schön, dass Sie die allenthalben missbrauchten Wörter „Methodologie“ und „Methodik“ nicht auch noch in den Plural gesetzt haben.“ Das wird nämlich sehr oft gemacht, sozusagen als intellektuelles I-Tüpfelchen – und ist laut Duden, dem alten Sammler, auch noch „erlaubt“! Aber mal ehrlich: Haben Sie jemals von unterschiedlichen „Meteorologien“ gehört, mit denen sich ausgewachsene Wetterfrösche herumzuschlagen haben?

Wunder der Technologie

Dasselbe mit den „Technologien“ – wie überhaupt Technik und Technologie auch immer wieder vertüdert werden, wie die Norddeutschen sagen; selbst da, wo man es nicht erwarten würde. Was ist – bitte – ein „Technologie-Unternehmen“? Ist das ein Unternehmen, das neue Techniken entwickelt? Oder ist das ein Unternehmen, das sich mit der „Wissenschaft von der Technik“ befasst? Letzteres wäre vergleichsweise brotlos, das wissen vor allem die dafür zuständigen Universitäten. Woher dann die Begeisterung für die Bezeichnung „Technologie-Unternehmen“? Etwa wieder die Amerikaner?

Ja, aber den eigentlichen Fehler machen nicht unsere Freunde jenseits des Großen Teiches, sondern wir. „Technology“, ein dort sehr beliebtes und vielfältig verwendetes Wort, meint auf Deutsch in der Regel „Verfahrenstechnik“ oder einfach nur „Technik“, bezeichnet aber auch „Gerätschaften“ oder „Programme“. Wer „Technology“ blind mit „Technologie“ übersetzt, landet bei den vielen deutschen „Technologie-Unternehmen“, die in ihren Produkten neueste „Technologien“ verbauen … und die funktionieren dann sogar, meistens auch noch richtig gut. Warum? Weil in Wahrheit neueste „Technik“ drinsteckt, wie es sich gehört.

Ist das gute Qualität?

Man kann also Technologien nicht verbauen. Und trotzdem ist es Alltag. Das ist merkwürdig, aber es hört sich wohl besser an, wirkt wichtiger, ja technologischer, methodologischer. In Wahrheit wird das wahrscheinlich gar nicht mit Absicht so gemacht, sondern aus Unkenntnis und/oder Gleichgültigkeit. Es ist schade, dass der Sprache so wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird und gute Qualität hier überhaupt keine Rolle (mehr) spielt.

Es ist durchaus schwierig, eine brauchbare Maschine zu bauen. Wer das tun will, sollte es gelernt haben, sonst läuft das Ding nicht. Auch einen Prozess zu installieren, der effektiv und effizient gewünschte Ergebnisse ausspuckt – das muss einer können. Etwas verlautbaren kann hingegen jeder. Man fliegt ja auch nicht gleich aus der Kurve, wenn eine Formulierung mal danebengeht oder ein Komma an der falschen Stelle steht.

Es gibt da allerdings eine gar nicht so unbekannte Geschichte, wie dereinst so ein kleiner Beistrich zum Richter über Leben oder Tod wurde. Ich habe sie ein wenig aktualisiert: Die brisante Nachricht über den geplanten Börsengang eines großen Unternehmens lag beim Vorstandschef zur endgültigen Freigabe auf dem Schreibtisch. Dieser fand jedoch aus wichtigem Grund, es sei noch viel zu früh für eine Veröffentlichung. So wies er seinen Assistenten an, der PR-Abteilung eine E-Mail mit folgender Nachricht zu senden: „Warten Sie, nicht veröffentlichen!“ Leider war der Assistent mit der deutschen Interpunktion nicht so recht vertraut, weshalb die Nachricht vom Börsengang – sehr zum Verdruss des CEO – doch herausging. In der Mail stand nämlich geschrieben: „Warten Sie nicht, veröffentlichen!“

Über den Autor: Peter Blaha

Peter Blaha, geboren 1954 in Frankfurt am Main, ist freier Journalist mit Spezialisierung auf „Managementsysteme“ und „Weinwirtschaft“ und DGQ-Mitglied. Er widmet sich neben der Erstellung von Fachbeiträgen seit jeher (und mit Vorliebe) dem nach seiner Meinung oft viel zu wenig beachteten Phänomen unklarer bis kurioser Formulierungen und Schreibweisen in der deutschen (Q-)Sprache. Wer dabei eine gewisse Nähe zur Argumentation des bekannten Journalisten Wolf Schneider zu erkennen glaubt, liegt nicht ganz falsch.

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