Ein Qualitäter im klassischen Sinne ist nicht mehr zeitgemäß1 | 06 | 18

Warum haben Sie sich für eine Karriere im Qualitätsmanagement entschieden? Sind Sie in Ihrem Traumjob angekommen und was macht ihn so interessant? Diese Fragen haben wir vor einiger Zeit im DGQ-Blog gestellt – und dazu aufgerufen, uns über die spannenden Aufgaben von Qualitätsmanagement-Beauftragten, Qualitätsmanagerinnen und Qualitätsmanagern zu berichten. Alle Antworten, die Sie uns gegeben haben, veröffentlichen wir regelmäßig im DGQ-Blog. Den Anfang machte Katrin Seefeldt mit Ihrem Blogpost „Seien Sie offen für Menschen und Ihre Bedürfnisse“. Der zweite Beitrag kommt von Dr. Ute Kronenberg. 2011 absolvierte sie eine Weiterbildung zur Qualitätsmanagerin und war seitdem in verschiedenen Unternehmen tätig. Seit 2017 arbeitet sie in einer Führungsposition im Qualitätsmanagement für die Rohde & Schwarz GmbH & Co KG am Standort Köln.

Was ist das Besondere an Ihrem Job?

Ich bin in einem Bereich tätig, in dem ich mit verschiedenen Normen und deren Anforderungen arbeiten darf. Bei Rohde & Schwarz am Standort Köln haben wir neben der ISO 9001 auch weitere Zertifizierungen. Unter anderem sind dies EN 9100 und ISO 17025 sowie spezielle Forderungen im Bereich Luftfahrt, die durch Kunden eingebracht werden. Diese zahlreichen Ansprüche an ein Unternehmen unter einen Hut zu bringen und intern so zu vermitteln, dass jede Abteilung weiß, was von ihr erwartet wird, ist eine besondere Herausforderung. Und genau das ist es, was ich an meinem Job am meisten liebe. Qualitätsmanagement ist eine Aufgabe, die ein breites Spektrum an Aufgaben mit sich bringt. Kein Tag ist wie der andere und es wird ganz sicher nie langweilig.

Wie sind Sie eigentlich in diese Position gekommen?

Durch Zufall. Ich habe nach meiner Promotion im Bereich Nuklearchemie (ein klassisches Orchideenfach) auf der Straße gestanden. 2010 war es extrem schwierig, in den wissenschaftlichen Bereichen Stellen zu finden. Gleichzeitig hat mich die Aussicht auf jahrelange Zeitverträge nicht motiviert, mich dort lange umzuschauen. Beim Arbeitsamt bekam ich eine Beratung, was andere Optionen wären, und ich bekam die Möglichkeit, eine Weiterbildung zum Qualitätsmanager zu beginnen. Sechs Monate später hatte ich ein Zertifikat in der Tasche, eine perfekte „Anfängerstelle“ gefunden und konnte beginnen, erste Berufserfahrungen zu sammeln. Heute, nochmal sieben Jahre später, habe ich durch weitere Zufälle das Glück bei Rohde & Schwarz, einem echten Familienunternehmen (trotz der MA-Anzahl), arbeiten zu dürfen, das seit Jahrzehnten Qualitätsmanagement betreibt und in diesem Bereich wirklich gut aufgestellt ist.

Was muss man können, um im Bereich Qualitätsmanagement erfolgreich zu sein?

Man sollte eine gute Auffassungsgabe haben – das hilft immer. Unabhängig davon, ob man die Inhalte einer neuen Norm schnell erfassen muss, ob es gilt, Prozessabläufe in einer Abteilung zu erkennen, oder ob man Informationen aus verschiedenen Bereichen zusammenführen muss.

Darüber hinaus sollte man Durchhaltevermögen haben. Viele Themen lassen sich nur sehr langsam bearbeiten. Da kann es schon mal sein, dass monatelang nichts passiert, bis dann plötzlich alle Steinchen an ihren Platz kommen und das Thema auf einmal erledigt ist. Durch solche Durststrecken muss man einfach durch.

Außerdem sollte man meiner Meinung nach menschlich sein und Empathie besitzen. Ein Qualitäter im klassischen Sinne, der nur zum Audit kommt um aufzuschreiben, wo es überall nicht läuft, um dann für das nächste Jahr wieder zu verschwinden, ist nicht mehr zeitgemäß. Heute sind Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung in die Abläufe eines Unternehmens eingebunden. Man ist nicht nur Kritiker, sondern auch Lehrer und Förderer. Man muss die Sprache der Menschen sprechen und das meint nicht nur die der Geschäftsführung, sondern auch die der Mitarbeiter in Produktion und Verwaltung. Wenn ich will, dass die Leute meinen Ideen folgen, muss ich ihnen auch vermitteln können, welche Ideen das sind und was für mich dahintersteht.

Welche Herausforderungen begegnen Ihnen in Ihrem Job?

Mitarbeiter, die einfach nicht wollen, denen Qualitätsmanagement aus welchen Gründen auch immer ein Dorn im Auge ist. Da kann man mit Argumenten oder gutem Zureden oft nichts erreichen, da muss man sich einfach durchsetzen. Notfalls mit Hilfe der Führungsetage. Der schlechteste Weg und für mich immer eine gefühlte Niederlage.

Aber auch Änderungen können eine Herausforderung sein, auch wenn diese eigentlich zum Kerngeschäft gehören. Wenn sich Prozesse schneller ändern als man sie beschreiben kann, dann ist das für mich immer eine Qual. Denn ich habe das Gefühl habe, eine Sisyphusarbeit zu machen. Irgendwann kommt dann aber auch immer wieder Ruhe rein und man sieht, dass sich die Arbeit gelohnt hat. Anderen Änderungen zu vermitteln ist ebenso schwer. Nicht umsonst gibt es eine ganze Disziplin, die sich mit dem Thema beschäftigt.

Firmen, in denen Qualitätsmanagement nur eine Fassade ist, sind ein Thema, dem man zwangsläufig begegnen wird. Da will man zwar den Qualitätsmanager, aber nicht, dass der wirklich etwas tut. Gut aussehen soll das Zertifikat an der Wand im Geschäftsführungsbüro, aber bitte keine Kosten oder Aufwand verursachen. Ich wünsche jedem Qualitätsmanager, dass er das Glück hat, eine Firma zu finden, in der das anders ist.

Was heißt Qualität für Sie und was zeichnet ein gutes Qualitätsmanagementsystem aus?

Qualität ist, wenn der Kunde zurückkommt und nicht das Produkt. Der Spruch ist schon so alt, dass manche in der Branche ihn nicht mehr hören können. Aber im Kern stimmt er. Jedenfalls besser als die offizielle Definition aus ISO 9000. Damit komme ich Kollegen nur dann, wenn ich sie ärgern will. Wenn die Erwartungen aller Stakeholder weitgehend erfüllt werden können, dann ist das Qualität.

Ein gutes Qualitätsmanagementsystem (QMS) lebt mit und für die Firma. Es ist kein Selbstzweck und es ist wichtig, dass ich zu jedem Element eines QMS sagen kann, warum ich es brauche und welchen Vorteil es dem Kunden und uns bringt. Verfahrensanweisungen, die nur geschrieben werden, um eine Normenforderung zu erfüllen, aber die in der Firma keiner ernst nimmt, sind ein wunderbares Beispiel für ein schlechtes QM-System. Mitarbeiter, die genau das ausführen, was von ihnen erwartet wird, ohne überhaupt zu wissen, dass sie das machen, weil eine Normenforderung dahinter steht, machen für mich ein gutes QMS aus. Die Anforderungen aus der Norm müssen ins Unternehmen überführt werden, ohne dass die Kollegen das Gefühl bekommen, dass ihnen immer nur mehr Vorschriften gemacht werden. Dabei hilft es enorm, wenn es ein Leitmotiv ist, den eigenen gesunden Menschenverstand zu benutzen. Damit kommt man nämlich sehr oft schon sehr weit. Leider kann man damit aber kaum einen Auditor überzeugen. Da wünsche ich mir auch ein Umdenken.

Wie sehen Sie das Berufsbild eines Qualitätsmanagers in der Zukunft?

Ich glaube, das habe ich eben schon anklingen lassen. Wir müssen weg vom Schreibtisch, hin zum Ort des Geschehens. Kein distanzierter Beobachter sein, sondern Unterstützer im Alltag. Man darf Kritik äußern, Abweichungen schreiben und auch mal harsch reagieren, wenn ein 8D-Report nicht so bearbeitet wurde, wie man das erwartet. Aber muss dann auch bei der Umsetzung helfen und erläutern, was Lösungsansätze sein könnten oder als Moderator Hilfestellung der der Ursachenanalyse geben. Wir sind Hans Dampf in allen Gassen, haben überall unsere Finger im Spiel – zum Teil auch ohne den fachlichen Hintergrund zu haben. Da muss der QM‘ ler auch mal zuhören und seine Erwartungshaltung anpassen können. Flexibel ist im dem Zusammenhang sicher ein wichtiges Stichwort. Glücklicherweise sind die meisten QM-Systeme schon so aufgebaut, oder zumindest auf dem Weg dorthin.

Welche Tipps geben Sie Berufseinsteigern in Ihrem Bereich mit auf den Weg?

Sie sollten sich zum Anfang ein Unternehmen mit einem funktionierendem QM-System suchen. Eines, bei dem der Qualitätsmanager wirklich Möglichkeiten hat, Dinge zu bewegen und nicht nur zur Zierde da ist. Dort sollte an sich anschauen, wie man Themen bearbeiten kann. Wie beschreibt man zum Beispiel Prozesse so, dass die Mitarbeiter auch verstehen, was von ihnen verlangt wird? Welche Möglichkeiten gibt es, um Personalqualifikationen nachzuhalten, wie gehe ich mit Abweichungen um? Und ganz wichtig sind die Basics: Wie lenke ich Dokumente, wie gehe ich mit Aufzeichnungen um? Hier kann eine Ausbildung nur die theoretischen Grundlagen vermitteln. Nicht immer ist das, was man in der Praxis vorfindet, die eine Lösung, die man vorher gelernt hat.

Nach meiner Weiterbildung war ich voller Theorie und hatte eigentlich keine Ahnung davon, wie Qualitätsmanagement wirklich geht. Ich hatte auch oft viel zu hohe Ansprüche und saß auf einem ziemlich hohen Ross. Ich hatte eine tolle erste Chefin, die mir viel beigebracht hat, ohne dass ich es überhaupt gemerkt habe. Ich habe immer nur gesehen was alles nicht läuft, anstatt mal zu schauen wo wir eigentlich gut sind. Erst viel später habe ich begriffen, dass hinter vielen Dingen, die ich kritisiert habe, eine sinnvolle Planung stand und auch die Realitäten des Lebens mit einbezogen wurden. Einige Jahre sollte man sich also auch geben, bis man wirklich ein Gefühl dafür bekommt, was Qualitätsmanagement ist und was nicht. Nicht aufgeben, nicht frustriert sein, wenn mal nicht alles nach Plan läuft. Ich persönlich fand es auch hilfreich, in den ersten Jahren regelmäßig die Stelle zu wechseln, unterschiedliche QM Systeme kennen zu lernen, um besser zu verstehen, wie sich Unternehmen unterscheiden – und  dass Qualitätsmanagement eben nicht immer das gleiche ist.

Haben Sie Lust, über Ihren Traumjob im Qualitätsmanagement zu berichten?

Berichten Sie z. B. darüber, wie Sie QMB oder Qualitätsmanager geworden sind, welche Herausforderungen Ihnen im beruflichen Alltag begegnen, welche Qualifikationen wichtig sind und wie es gelingt, sich im Unternehmen erfolgreich zu positionieren. Haben Sie gute Tipps, die Sie Neueinsteigern mit auf den Weg geben möchten? Wir sind gespannt.

Ihr direkter Kontakt:
Katrin Kemm
T 069 954 24-180
E-Mail: katrin.kemm@dgq.de.

Streben auch Sie eine Karriere im Qualitätsmanagement an?

Wir beraten Sie gern – telefonisch unter 069 954 24-150 oder per Mail an oliver.schneider@dgq.de, Produktmanager für die DGQ-Trainings zum Thema Qualitätsmanagement .

Über die Autorin: Ute Kronenberg

Ute Kronenberg wurde vor knapp 40 Jahren im Rheinland geboren, sie studierte an der Universität zu Köln und promovierte am Forschungszentrum Jülich. Nach einer Weiterbildung zur Qualitätsmanagerin ist sie seit 2011 in verschiedenen Unternehmen angestellt gewesen und arbeitet seit 2017 in einer Führungsposition im Qualitätsmanagement für die Rohde&Schwarz GmbH&Co KG am Standort Köln.

3 Kommentare bei “Ein Qualitäter im klassischen Sinne ist nicht mehr zeitgemäß”

  1. 2f7b8a082664d40d5f2768c6f33b5bee Jörg Brokmann sagt:

    Guter Beitrag!
    Der Stellenwert des gesunden Menschenverstandes kann heutzutage nicht hoch genug gehangen werden. Trifft meines Erachtens aber auf viele Tugenden zu, die immer mehr ins Hintertreffen geraten.
    Die von Ihnen angesprochene Geduld gehört dazu, obwohl sie augenscheinlich nicht zum Agilitätsmantra passt.

    1. 2fd39e3b0786ae6b022ee95c6401f1aa Anja Freitag sagt:

      Für mich ergänzt sich das schon. Extreme sind hier aber nicht ratsam: Geduld darf nicht zu Lethargie werden, Agilität nicht zu Aktionismus. „Jegliches hat seine Zeit“ – auch in agilen Systemen 😉

      1. 2f7b8a082664d40d5f2768c6f33b5bee Jörg Brokmann sagt:

        Da stimme ich Ihnen gern zu.
        Wenn es soweit kommt, sollte dringend der Fehler im System behoben werden, bevor jemand unter das Hamsterrad gerät.

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