Weg vom Zwangs-QMB

QMB

Stellungnahme des DGQ-Fachkreises „Q-Berufe“ zum Wegfall der Forderung nach einem QMB im ISO/DIS 9001:2015

Seit der Erstausgabe von DIN EN ISO 9001 im Jahr 1987 bestand für das Qualitätsmanagementsystem die Forderung nach einem Beauftragten der Leitung. Ab der ersten Revision 1994 wurde daraus der Beauftragte der obersten Leitung. Im Alltagssprachgebrauch hat sich dafür vielerorts die Bezeichnung Qualitätsmanagementbeauftragter (kurz QMB) etabliert.

Der Draft International Standard aus 2014, die Vorstufe der für 2015 angekündigten Revision der ISO 9001 (ISO/DIS 9001:2014) erwähnt keinen Beauftragten der Leitung mehr. Stattdessen ist die Verantwortung für das Qualitätsmanagement deutlicher und umfassender der obersten Leitung zugewiesen.

Schlussfolgerungen und Auswirkungen

ISO 9001 stellt keine Forderung mehr an ein zertifizierungsreifes Qualitätsmanagementsystem, einen Beauftragten der obersten Leitung für Qualität oder Qualitätsmanagement zu benennen. Damit ist die Einrichtung dieser Funktion allerdings auch nicht untersagt. Vielmehr ist es der Organisation selbst überlassen, weiterhin einen Beauftragten zu benennen – oder auch nicht.

Dass gerade die Forderung nach dem Beauftragten der obersten Leitung bei der Revision 2015 von ISO 9001 entfällt, hat viele überrascht. Das Beauftragtenwesen erschien zu fest in den Managementsystemnormen unterschiedlichster Fachrichtungen verankert.

Vielen Qualitätsmanagern und QMBs bereitet der Wegfall der Forderung Sorge. Sie befürchten eine Schwächung des QM-Systems und ihrer eigenen Rolle.

Argumente gegen die Aufgabe der Forderung nach einem Beauftragten

Viele Qualitätsbeauftragte haben sich gegenüber der DGQ sorgenvoll geäußert und erwarten, dass ihre Position geschwächt wird. Sie führen folgende Argumente ins Feld:

  • Wenn Unternehmen die Funktion deinstallieren, verliere ich meine Funktion, vielleicht sogar meine Stelle.
  • Wenn Unternehmen die Funktion deinstallieren, schwächen sie das Qualitätsmanagement, weil es keinen „Kümmerer“ mehr gibt. Die Führungskräfte wollen und können die Verantwortung für Qualität und Qualitätsmanagement nicht wahrnehmen.
  • Selbst wenn ein Unternehmen die Funktion beibehält, schwächt es die Qualitätsmanager, weil sie ihre Autorisierung durch die ISO 9001 verlieren.
  • Mitarbeiter und Führungskräfte werden den Wegfall der Forderung gegen die Qualitätsmanager verwenden und ihnen eine geringere Bedeutung unterstellen.
  • Der fehlende zentrale Ansprechpartner für Qualitäts- und Zertifizierungsangelegenheiten erschwert die interne und externe Kommunikation.

Argumente für die Aufgabe der Forderung nach einem Beauftragten

Es gibt gewichtige Argumente für den Wegfall der bisherigen Forderungen nach einem Beauftragten der obersten Leitung:

  • Je mehr Freiheitsgrade ein Unternehmen hat, seine Funktionen und Rollen nach eigenen Bedürfnissen auszugestalten, desto besser. Viele bisherige Aufgaben der QMBs bleiben ja auch erhalten bzw. es ist nützlich, sie weiterhin bei Spezialisten anzusiedeln.
  • Qualitätsmanager, die auf eine externe Autorisierung durch die ISO 9001 angewiesen sind, sind letztlich hinsichtlich ihrer Wirkung schwache Qualitätsmanager. Sie müssten stattdessen in der Lage sein, ihren Nutzen für den Unternehmenserfolg und ihren Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele aufzuzeigen.
  • Funktionen im Qualitätsmanagement, die das Unternehmen ohne echten oder gefühlten externen Druck aus eigener Kosten-Nutzen-Erwägung in freier unternehmerischer Entscheidung einrichtet, sind tendenziell starke Funktionen.
  • Die Führungsverantwortung für Qualität und ein funktionierendes Qualitätsmanagementsystem ist nicht delegierbar. Sie muss alle Führungsebenen umfassen. Die Möglichkeit der Benennung eines Beauftragten hat letztlich in vielen Unternehmen dazu beigetragen, dass oberste Leitung und Führungskräfte dieser Verantwortung nicht gerecht wurden.
  • Zu häufig sind unter der Notwendigkeit, für eine Zertifizierung die ISO-Forderung nach einem oder einer Qualitätsbeauftragten zu erfüllen, die „falschen“ Mitarbeiter QMBs geworden. Nämlich die, die nicht konnten und nicht wollten. Das hat dem Qualitätsmanagement in diesen Unternehmen oft sehr geschadet.
  • Viele Mitarbeiter, die konnten und wollten, wurden in der QMB-Funktion verschlissen, weil sie keinen oder deutlich zu wenig Rückhalt der Leitung hatten.

Fazit

Der Beauftragte der obersten Leitung wird in Unternehmen mit einer guten Qualitätskultur der Leitung nicht fehlen – und in Unternehmen mit einer schlechten Qualitätskultur nichts ausrichten.

Der Wegfall der ISO 9001-Forderung nach einem Beauftragten der obersten Leitung für Qualität ist zu begrüßen. Investitionen in eine solche Funktion müssen freie unternehmerische Ressourcenentscheidungen unter Kosten-Nutzen-Erwägungen sein. Auf diese Weise entstehen potenziell starke QMB- oder Qualitätsmanagerfunktionen.