Telefoninterview – QM in Handwerksbetrieben

Hilft die EFQM Selbsteinschätzung kleinen Handwerksbetrieben?

In der letzten Woche ist der erste Teil eines Interviews erschienen, dass ein Masterstudent kürzlich mit mir geführt hat. Es ging um die Frage, ob das EFQM-Modell Business Excellence in Handwerksbetrieben vorantreiben kann. Heute erscheint der zweite Teil.

„Wenige werden sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen, nur weil man ihnen zeigt, dass sie im Sumpf stecken.“

Wenn jetzt ein Handwerksunternehmen im Prinzip bereit wäre, sich mit dem Modell auseinanderzusetzen und seine Selbsteinschätzung durchführt, dann käme wahrscheinlich der Reifegrad „Committed to Excellence“ raus. Würden Sie sagen, dass sich das stark auf die Ergebnisse des Unternehmens auswirken kann? Also gibt es Potenzial, das Modell in einem Handwerksunternehmen umzusetzen?

Sommerhoff: Also, wenn jemand einen niedrigen Reifegrad hat, dann ist ja per se das Potenzial immer groß. Wenn die Selbstbewertung dieses Potenzial aufzeigt und man daraufhin dieses Potenzial adressiert und hebt, dann entsteht genau dieses Ergebnis.

Die Frage ist nur, braucht jemand, der eine unreife Organisation führt, dann nur ein Modell, um zu sagen: „Hey okay, ich habe bisher alles falsch verstanden. Ab jetzt mache ich es eben anders. Ich habe die Potenziale erkannt und jetzt werde ich exzellent“. So einfach geht das eben nicht aus sich selbst. Es werden wenige schaffen, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen, nur weil man ihnen zeigt, dass sie im Sumpf stecken.

„Dass er ein Problem hat, weiß er selber. Sein Problem ist ja, dass er nicht weiß, wie er sein Verhalten ändern kann. Und da hilft kein Modell.“

Aber dann ist das ja im Prinzip so eine Art Teufelskreis. Man kommt selber nicht dazu, sich damit zu befassen. Es ist relativ schwierig das anzugehen, und wenn man dann von Externen nicht die Hilfe bekommt…

Sommerhoff: Gut. Aber die Situation ist dort ja oft so: Das sind auch nur Menschen. Die sind vergleichsweise unstrukturiert. Die hüpfen von Angebot zu Angebot, von Baustelle zu Baustelle.

Da sie relativ unorganisiert sind, kommen die bei jeder Baustelle zu spät. Wir hatten auch einen Generalunternehmer, der zu jedem mit uns verabredeten Termin mindestens eine Stunde zu spät gekommen ist. Da konnte man sich drauf verlassen, dass man selber nicht mehr pünktlich sein musste. Das ist systemisch.

Nun hilft es doch nicht, wenn ich dem aufzeige: „Hey, du hast ein Problem mit der Pünktlichkeit, du bist schlecht organisiert.“ Das weiß der selber und was nützt es ihm, wenn das Modell ihm das auch noch mal aufzeigt. Sein Problem ist ja, dass er nicht weiß, wie er sein Verhalten ändern kann. Und da hilft kein Modell.

„Was man erst einmal braucht, ist eine Identifikation der Stärken und Verbesserungspotenziale.“

Wäre es für ein Handwerksunternehmen sinnvoll, sich am Anfang selber einzuschätzen und eine Selbstbewertung zu machen? Also mit RADAR oder Quickcheck von EFQM?

Sommerhoff: Also RADAR aus meiner Sicht schon mal gar nicht. Das ist viel zu kompliziert und da muss man auch erst einmal über mehrere Praxiseinsätze lernen, damit zu arbeiten. Ich rate auch größeren Organisationen davon ab, in den ersten Jahren eine RADAR Bewertung zu machen. In meinen Augen funktioniert die Selbstbewertung am Anfang in erster Linie über die Identifikation von Verbesserungspotenzialen.

Die Punktebewertung ist völlig peng. Also, die braucht für die ersten vier bis fünf Jahre kein Mensch. Manche wollen die haben, aber brauchen tun sie die aus meiner Sicht nicht.

Also man könnte vielleicht Teilbereiche nutzen, um die Stärken und Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Dafür muss man eine Unterteilung in Attribute vornehmen, nach dem Motto: Was heißt das? Was ist damit gemeint? Ist es mit der Strategie verzahnt? Das sind dann kluge Fragestellungen, um eine Organisation zu analysieren.

Was man erst einmal braucht, ist eine Identifikation der Stärken und Verbesserungspotenziale – und zwar grob gerastert und nicht fein ziseliert. Das sind die zwei bis drei wesentlichen Baustellen, die ich habe. Wenn ich da drangehe, mache ich einen Riesenschritt nach vorne.

Telefoninterview – QM in Handwerksbetrieben

Wie macht man QM in kleinen Handwerksbetrieben?

Ist das EFQM-Modell geeignet, um dort Business Excellence voranzutreiben? Wo liegen im Handwerk die größten Potenziale für Qualitätsverbesserung?

Das folgende Interview hat ein Masterstudent mit mir geführt, der zum Thema EFQM-Einsatz in Handwerksbetrieben arbeitet. Er hat eine Mitschrift des Interviews angefertigt und mir erlaubt, es im Blog zu verwenden. Darum hatte ich gebeten, weil ich dachte, dass einige der Fragen und Antworten zum EFQM Einsatz interessant für die Fachöffentlichkeit sein können. In einer Blogserie veröffentlichen wir nun Ausschnitte aus diesem Interview mit prägnanten und teilweise kontroversen Aussagen. Wir haben dafür den Text leicht überarbeitet, damit er besser lesbar ist. Allerdings haben wir, damit die Gesprächsatmosphäre auch beim geduckten Text ein wenig erhalten bleibt, nicht alles „schön“ gemacht. Ich rede also offensichtlich nicht so glatt und grammatikalisch korrekt, wie ich schreiben könnte.

„Handwerker nennen QM doch nie so!“

Wie kann ein Handwerksunternehmen seinen Reifegrad im Bereich der Business Excellence verbessern? Kann es ihn überhaupt beeinflussen? Bei meinen Recherchen bin ich darauf gestoßen, dass im Handwerk in Richtung Business Excellence beziehungsweise überhaupt Qualitätsmanagement nicht sehr viel gemacht wird.

Sommerhoff: Wie heißt das denn? Stimmt das überhaupt als Aussage? Also, QM läuft im Handwerk nicht unter den typischen Überschriften, wie es in der Industrie läuft. Ich denke, der Handwerker würde weder groß über Business Excellence noch über Qualitätsmanagement sprechen. Es gibt aber Handwerksbetriebe, bei denen das Thema Qualität ganz hoch steht. Die nennen das nur nie so.

„Die Sprache des EFQM-Modells ist für das Handwerk nicht angemessen.“

Qualitätsdenken muss ja sowohl die Handwerksleistung, als auch die internen Prozesse unterstützen. Meine erste Frage ist nun: Das EFQM-Modell eignet sich ja grundsätzlich für alle Unternehmen. Wie schätzen Sie die Akzeptanz beziehungsweise die Umsetzung bei Handwerksbetrieben ein?

Sommerhoff: Gering, weil einfach die Sprache dort nicht angemessen ist und weil das Modell dort zunächst einmal als überdreht erlebt wird. Einzelne Handwerker haben ja damit gearbeitet und damit gezeigt, dass das geht. Aber das Modell ist für diese Klientel nicht ansprechend formuliert und ausgestaltet. Deswegen erreicht es Handwerker auch insgesamt so gut wie nicht. Man kann es zwar übertragen, aber diese Transferleistung ist sehr groß.

Die meisten Leiter von Handwerksbetrieben können diese Transferleistung einfach nicht erbringen. Ich meine das nicht intellektuell, sondern einfach auch vom Zeitaufwand her. Und das rohe Modell können sie bei sich kaum anwenden. Schon Führungskräfte größerer Unternehmen wissen ja erst mal nicht, wie sie da konkret rangehen sollen und suchen sich Beratungsunterstützung.

„Da kann die EFQM sagen, was sie will. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die meisten Handwerksbetriebe gar nicht mit dem Modell arbeiten.“

War das Modell nicht eigentlich den Anspruch, unabhängig jetzt von der Größe für alle Unternehmen geeignet zu sein?

Sommerhoff: Ja, ich sage mal so, die EFQM postuliert das und hat auch in der Theorie recht. Theoretisch funktioniert das. Praktisch funktioniert es aber nicht, weil, wie gesagt, diese Klientel diese Sprache nicht spricht. Sie wird von dem Modell überhaupt nicht angesprochen, zumindest nicht in der Breite. Einzelne sind eher die Ausnahmen. Das Modell ist auch in seiner Formulierung zu wenig für Mikroorganisationen spezifisch. Insofern kann die EFQM da sagen, was sie will. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die vielen Hunderttausend Handwerksbetriebe, die es gibt – und das ist ja die Vielzahl der Unternehmen, nicht die Großkonzerne – eben gar nicht damit arbeiten.

„Die sind zu mit Arbeit. Die arbeiten in und nicht an der Organisation.“

Denken Sie, da gibt es noch andere Gründe, die dagegen sprechen, außer der Sprache und dieser Hürde, das für kleine Betriebe ins Praktische umzusetzen?

Sommerhoff: Ja, ganz einfach: Die Chefs sind zu mit Arbeit. Die arbeiten in der Organisation, sind ihr wichtigstes Produktivmittel und arbeiten daher kaum an der Organisation. Das heißt, die haben kaum Zeit, sich mal zurückzulehnen und zu sagen: „Was mache ich hier eigentlich? Kann ich mich anders organisieren? Muss ich anders agieren? Habe ich das richtige Geschäftsmodell? Habe ich die richtige Klientel? Habe ich die richtigen Leute?“.

Das EFQM-Modell hilft, diese grundsätzlichen Fragen zu stellen. Aber die stellen die sich nicht, weil sie einfach zu sind mit Arbeit und weil sie selbst ihre beste Produktivkraft sind.

Ist da nicht so die Gefahr, dass man dann irgendwann merkt, okay, jetzt habe ich mich /vergaloppiert, dass ich nur im Operativen tätig war, und habe mir nie Gedanken gemacht, wie ich vielleicht in Zukunft agieren kann.

Sommerhoff: Klar ist das die Gefahr, dass man ständig Hühner fängt, weil man keine Zeit hat den Zaun zu flicken.

Das Interview wird fortgesetzt…..

Zwischen Fachbegriff und Q-Marketing – Die Sprache der Qualitätler

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Im Kontext von Führung und von Qualitätsmanagement geht es oft um Methoden und Werkzeuge. Gerade wir Qualitätler befassen uns sehr intensiv damit. Einem „Werkzeug“ schenken wir dabei nicht genügend Beachtung: der Sprache. Dabei gibt es zwei Extreme. Das eine ist die nachlässige und unzureichende Verwendung von Begriffen, das andere deren übertriebener Einsatz. Die nachlässigen Begriffsverwender kennen oder nutzen Fachbegriffe nicht angemessen und hinterlassen beim Gegenüber damit keinen kompetenten Eindruck. Die anderen kennen ihre Begriffe sehr wohl und belehren ihr fassungsloses Gegenüber, dass es Forderungen heißen muss und nicht Anforderungen. Schlussfolgerung: Die eigene Fachsprache sicher beherrschen ist ein zentraler Aspekt der Fachkompetenz. Sprache so einzusetzen, dass ich gewünschte Wirkungen erziele, ist ein Aspekt der sozial-kommunikativen Kompetenz. Letzteres ist dabei wesentlich wirkmächtiger als ersteres. Ich gehe so weit zu behaupten, dass Eloquenz, der versierte Umgang mit Sprache, ganz besonders für Qualitätler ein Schlüsselerfolgsfaktor ist.

Terminologiearbeit – laaaangweilig oder ein Privileg der Götter!

Terminologiearbeit hatte in Fachgesellschaften wie der DGQ einmal einen großen Stellenwert und wurde von namhaften Experten vorangetrieben. An die in den vergangenen Jahrzehnten dort aktiven Walter Geiger und Peter Naumann werden sich viele noch erinnern. Mittlerweile ist Terminologiearbeit verpönt und kaum jemand kann sie noch auf hohem Niveau leisten. Heute ist Jürgen Jacob einer der wenigen erfahrenen Terminologen, der für die DGQ in ISO-Gremien aktiv ist. Auch ich gebe zu, dass ich in jungen Berufsjahren wenig mit den Diskussionen der Terminologen anfangen konnte, Fachbegriffen und deren stringenter Verwendung eine untergeordnete Rolle beigemessen habe. Erst im Rahmen der eigenen wissenschaftlichen Arbeit habe ich die Bedeutung der Terminologie erkannt. Jetzt, in der Betreuung von Bachelor- und Masterstudentinnen und -studenten bin ich auf einmal die Nervensäge, die die Kenntnis der Fachbegriffe, der unterschiedlichen relevanten Definitionen und deren durchgängige, widerspruchsfreie Verwendung einfordert. Darüber hinaus erwarte ich auch noch ein Mindestmaß an ansprechender Formulierung.

In der DGQ definieren wir gerade Fachbegriffe neu und schaffen sogar neue. Das spiegelt wieder, dass sich unser Fachgebiet derzeit massiv verändert, dass sich Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung und die Q-Berufe in einem starken Veränderungsprozess befinden. Daraufhin müssen wir also bestehende Begriffe mit neuen Definitionen aufladen oder neue einführen. Ich möchte zwei Beispiele aus der aktuellen Diskussion nennen. Das sind die Begriffe Organisationsentwicklung und Qualitätssicherung. Wir sagen, modernes Qualitätsmanagement (QM) sei Organisationsentwicklung (OE) und haben deshalb im Fachkreis QM und OE eine eigene, QM-kompatible Definition des Begriffs Organisationsentwicklung geschaffen. Es gibt zwar viele gute Definitionen dafür, allerdings keine, die so gut wie die eigene für das Qualitätsmanagement tauglich ist. Zusätzlich verwenden wir den Begriff Qualitätssicherung (QS) neu und ganz anders, als er in der ISO 9000-Familie definiert ist. Wir sehen QS eben nicht mehr als Teilmenge des QM, sondern als eigenes, mit dem QM verbundenes Fachgebiet, das die produkt- und prozessnahen Aktivitäten zur Schaffung der Produktqualität umfasst. Es kann aber gut sein, dass wir statt QS noch einen anderen Begriff finden müssen, die Diskussion ist noch längst nicht abgeschlossen. Zudem erkennen wir im Kontext der Industrie 4.0 die Notwendigkeit für eine Qualitätssicherung 4.0 mit ganz neuen Anforderungen und Ansätzen. Doch warum ist Terminologiearbeit nun ein Privileg der Götter? Weil die Götter, als Teilaspekt des schöpferischen Aktes, den Dingen ihren Namen geben!

Sprache muss wirken, nicht korrekt sein – der Schrauberziehertest

Nach meinem Plädoyer für eine konsequente Definitions- und Terminologiearbeit für das Kennen und Beherrschen der eigenen Fachsprache, möchte ich nun für einen, wenn nötig davon gezielt abweichenden, zielgruppenspezifischen Einsatz von Sprache und Begriffen werben. Flurförderzeug ist sicherlich ein etablierter Fachbegriff der Logistik und Ameise einer der Insektenkunde. Wenn in einem Produktionsbetrieb jemand eine Ameise im Einsatz sieht, ist dies dennoch kein Fall für den Kammerjäger. Bestimmte Arten von Flurförderfahrzeugen nennen die Kollegen in der Produktion schon seit je her Ameise. Jetzt können Sie in QM-Dokumenten fachsprachlich völlig korrekt von Flurförderfahrzeugen schreiben und damit Recht haben und unverstanden bleiben. Sie können aber auch den akzeptierten berufsalltäglichen Begriff Ameise verwenden und jeder den es angeht, weiß, was hier gemeint ist. Um zu testen, wer unter besonders schwerer Alltagbegriffsallergie leidet (medizinischer Fachbegriff: verbal induzierter anaphylaktischer Schock) bringen Sie eine Gruppe von Menschen, z.B. 20 Qualitätsbeauftrage zusammen, halten das entsprechende Werkzeug hoch und sagen laut Schraubenzieher. Typischerweise identifizieren sie drei Gruppen. Die allergiebelasteten Kollegen erkennen Sie an der Aussage, „das heißt Schraubendreher, Schrauben kann man nicht ziehen, nur drehen“. Einige werden gar nicht reagieren, andere als Reaktion auf den Aufschrei der ersten Gruppe mit den Augen rollen. Funktioniert immer. Das Augenrollen ist ebenfalls ein Symptom, das wir ernst nehmen müssen, weil es zeigt, dass Akzeptanz und unser Image leiden können, wenn wird bei der Gratwanderung zwischen sympathischem Besserwisser und arrogantem Klugscheißer auf die falsche Seite kippen.

Derartige Beispiele gibt es viele. Je älter QM-Dokumente sind, desto eher sind sie in einem heute als bürokratisch gewerteten, stark formellen, mit Normbegriffen durchsetzten Duktus. Sie sind gemäß echter oder vermeintlicher Anforderungen der Regelwerke und der Dokumentenlenkung strukturiert, nicht der der Leser. Immerhin gibt es heute elektronische Medien, die eine attraktivere Präsentation von Dokumenten erleichtern. Ihre Sprache ist aber weiterhin oft insofern untauglich, als ihre Inhalte zwar formal fachsprachlich korrekt aber dennoch für die Zielgruppen unverständlich und unattraktiv sind. Doch die Kommunikation mit den Mitarbeitern über Dokumente ist gar nicht einmal das problematischste Feld der Q-Kommunikation. Dies ist aus meiner Sicht vielmehr die Kommunikation mit Führungskräften, besonders mit der obersten Leitung.

Das gravierende Manko der Qualitätler besteht nicht darin, dass sie keine zielgruppenadäquaten Dokumente erzeugen. Nein, schlimmer ist, dass sie die Sprache der Führungskräfte und die Motive für deren Handeln oft nicht verstehen. Führungskräfte – besonders die der obersten Leitung – stehen unter enormem Erfolgsdruck und werden an ökonomischen Zielerreichungen gemessen. Und die meisten von Ihnen haben Zeitverträge. Also reden sie auch übers Geschäft, über finanzielle Kennzahlen, Geschäftsmodelle, alte und neue Märkte, müssen Kompromisse machen, manchmal lavieren. Vielen Qualitätlern reden sie zu wenig über Qualität. Ganz ehrlich, da haben wir ein auch selbstverschuldetes Imageproblem, haben zu lange über Regelwerke, Zertifizierungen, Audits gesprochen, missioniert, problematisiert und lamentiert. Führungskräfte haben doch nichts gegen Qualität, wollen sie aber im Kontext des ökonomischen Erfolges diskutieren, nicht entlang der Regelwerke. Also, reden wir von nun an nicht mehr aneinander vorbei! Sprache wirkt dann, wenn unser Gegenüber versteht, was wir ausdrücken wollen.

Q-Marketing und Q-Positionierung

Ich beobachte mit Interesse, dass im Qualitätsmanagement kein gutes Marketing der eigenen Dienstleistung, Abteilung und Person stattfindet. Dieses Marketing nenne ich Q-Marketing. Unter Einsatz geeigneter Begriffe und Sprache, mit viel Verständnis der internen Zielgruppen und unter Einsatz moderner Kommunikations- und Marketinginstrumente gilt es, ein positives Image aufzubauen. Dabei muss man sich mit Errungenschaften präsentieren, die die anderen sexy finden, nicht ausschließlich man selbst. Es kann sein, dass über die neunte Rezertifizierung zu sprechen, eben nicht nur uninteressant für die Kollegen ist, sondern sogar ein bestehendes Schubladenimage negativ verstärkt. Ein großer Anteil der Leistungen, die Qualitätler erbringen sind interne Dienstleistungen. Zu viele von uns haben sich als Problemanbieter positioniert, gesucht werden allerdings Lösungsanbieter. Sie müssen dort ansetzen, wo die internen Kunden Unterstützungsbedarf haben, da, wo die Wertschöpfung entsteht, nicht dort, wo der interne Dienstleister übriggebliebene Pfeile im Köcher hat.

Was erleben Sie? Wie setzen Sie Sprache ein?

Mich interessiert, welche Erfahrungen Sie im Umgang mit Sprache, der Q-Positionierung und dem Q-Marketing im Unternehmen haben. Wie arbeiten Sie mit Fachbegriffen? Was charakterisiert die Unternehmenssprache? Funktioniert die interne Diskussion, verstehen Sie Ihre Führungskräfte und diese Sie?

Glück auf!

DGQ-Seminar zur Vertiefung

Nicht zu fassen – Qualitäts- und Unternehmenskultur

Nautilus

Wenn ich so höre und sehe, wie häufig Nachlässigkeit, Laisser-Faire-Haltung und falsche Prioritäten Fehler, Nichtqualität und Verschwendung verursachen, dann überlege ich, wie es um die Qualitätskultur in manchen Organisationen bestellt ist. Qualitätskultur, Unternehmenskultur, Führungskultur, Fehlerkultur – oft sprechen wir darüber, selten erfahre ich dabei Konkretes, Greifbares. Gerade dort, wo wir das Fehlen von Kultur beklagen, können wir selten sagen, wie und auf welchem Wege wir sie erreichen, ausbauen und verbessern. Sie ist irgendwie nicht zu fassen, die Unternehmenskultur.

Steht doch alles im Leitbild

Leitbilder begegnen mir oft. Wenn sie noch frisch sind, erfahre ich auch vom Leitbildprozess. Schön war er, der Leitbildprozess. Jochen Muskalla sagte zu Leitbildern so trefflich „da listen die Unternehmen auf, was sie am meisten vermissen“. Ich habe mir, ob im Rahmen von Assessments oder zu anderen Anlässen, wenn das Leitbild Gegenstand der Analyse oder Diskussion war, eine Frage zurechtgelegt, die mir den besten Eindruck verschafft hat, wir wirksam ein Leitbild ist. „Was war denn nach der Veröffentlichung des Leitbildes anders als vorher?“. Das Antwortspektrum bewegt sich weitestgehend zwischen Unverständnis und Hilflosigkeit, selten kommt eine klare, aussagekräftige Antwort. „Na ja, wir haben jetzt ein schönes Leitbild, besser, als das alte. Sie finden es im Internet, Intranet, in der Mitarbeiterzeitung und wir haben es auf Poster gedruckt.“ Veröffentlichung als finaler und einziger Schritt der Operationalisierung. Agieren die Führungskräfte jetzt anders, verkörpern und vermitteln sie die im Leitbild verankerten Werte besser als vorher? Haben sich Prioritäten verschoben? Was erleben die Stakeholder neu oder anders hinsichtlich der Unternehmenswerte? Ist eine bessere Unternehmenskultur, eine bessere Qualitätskultur entstanden? Woran kann man das erkennen? Welche Maßnahmen haben dazu geführt?

Von wegen soft

Für viele Führungskräfte und Qualitätsmanager ist Kultur weitgehend ein blinder Fleck. Im Rahmen von Ausbildung, Studium und Weiterbildung lernen die Allermeisten fachliche Grundlagen, Organisationslehre und auch Führungslehre. Selten ist zum Thema Unternehmenskultur dabei aber mehr zu hören, als dass es sie gibt, dass sie wichtig ist und dass man sich als Führungskraft darum kümmern muss. Aber wie denn, bitteschön, ich würd ja gerne? Den meisten von uns fehlt es an Methoden, das Thema wirkungsvoll zu adressieren. Deshalb heißen Kulturthemen in Unternehmen auch weiche Themen, die Fähigkeiten, die wir dafür suchen, soft skills. Ich mag die Begriffe weich und soft in diesem Kontext nicht, sie vernebeln, dass Kulturarbeit in Unternehmen für den Erfolg genauso wichtig, also hart sind, wie die als hart akzeptierten Themen, die erforderlichen Kompetenzen genauso greifbar sind, wie andere. Die, die im Rahmen ihrer Ausbildung gelernt haben, wie man menschliches Verhalten verstehen, lenken und verändern kann, z.B. Pädagogen, Psychologen oder Sozialwissenschaftler, sind je nach Branche eher selten in Führungspositionen oder werden durch anders tickende Führungskräfte in ihrer Wirkung als Kulturschaffende eingeschränkt.

Für das Teilthema Qualitätskultur kommt erschwerend hinzu, dass es die das Qualitätsmanagement über Jahrzehnte prägenden Regelwerke nicht oder unzureichend adressiert hat. ISO 9004 verwendet den Begriff Kultur mehrmals, meistens als zu berücksichtigender Einflussfaktor, einmal nur unter dem Aspekt des Gestaltens der Kultur: „Verbesserung, Innovation und Lernen können angewendet werden auf […] menschliche Aspekte und Kultur“. Unter der Überschrift Qualitätspolitik (welch irreleitende Übersetzung von quality policy) ist meistens eine Art qualitätsbezogenes Teilleitbild entstanden, mit Aussagen über Kundenorientierung, Verbesserungs- und Fehlerkultur. Oft ist es beim Papier geblieben, die Umsetzung geriet eher schwach, s.o..

Handlungsfelder für die aktive Kulturgestaltung

Aus meiner praktischen Erfahrung heraus sind zwei Handlungsfelder und ein zentraler Treiber wesentlich, wenn es darum geht, Unternehmenskultur und als Teil davon Qualitätskultur aktiv zu gestalten. Das sind die Operationalisierung handlungsleitender Werte und die Ausgestaltung von Beziehungen. Zentraler Treiber für Kultur ist das Führungsverhalten. Nicht dass Mitarbeiter kulturloser als ihre Führungskräfte wären, letztere sind allerdings aufgrund ihrer Gestaltungsmacht für Kultur maßgeblich. Und leider funktioniert eine Wirkrichtung ganz hervorragend, nämlich die kulturzerstörerische Wirkung von hochrangigen Führungskräften. Gelingt es nicht, diese destruktiven Führungskräfte hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Kultur zu neutralisieren, ist der Spielraum für die Verbesserung einer Unternehmens- oder Qualitätskultur ohnehin enorm limitiert.

Zunächst geht es also um die Operationalisierung handlungsleitender Werte. Ein inhaltlich valides, organisationsindividuelles, von Führungskräften und Mitarbeitern getragenes Leitbild ist nur der Ausgangspunkt, nicht der Zielzustand der Kulturarbeit. Nun ist durch konkrete Maßnahmen zu unterlegen, dass die fixierten Werte wirklich handlungsleitend in der Organisation sind. Jemand in der Leitung muss das über lange Zeit (eigentlich immer) aktiv hinterfragen und beobachten und ein Zuwiderhandeln insbesondere der Führungskräfte sofort unterbinden und ggf. sanktionieren sowie kulturförderliches Handeln anerkennen und verstärken.

Des Weiteren gilt es, die Beziehungen innerhalb und zwischen den wichtigen Interessengruppen zueinander positiv auszugestalten. Dazu zählen die Beziehungen der Führungskräfte zueinander, die der Führungskräfte und Mitarbeiter, die zu den Kunden und auch die zu Partnern und Lieferanten. Darüber hinaus mag es weitere relevante Gruppen geben. Beziehungen entlang der vereinbarten Werte auszugestalten und de facto zu verbessern ist natürlich nicht einfach und nicht rezepthaft zu adressieren. Ein erster Schritt ist es zu verstehen, wie die Beziehungen zurzeit ausgestaltet und geprägt sind und welche Effekte das erzielt. Was ist der erstrebenswerte Zustand und wie kommen wir dort hin?

Was können wir Qualitätsmanager tun?

  • Anerkennen, dass Kulturarbeit in der Organisation kein Larifarithema ist, hart, nicht weich, hochrelevant für die Qualitätsfähigkeit der Organisation, nicht die Kür, sondern Teil der Pflicht.
  • Diejenigen achten, unterstützen und stärken, die dieses Thema aufgrund ihrer Qualifikation und ihres Talents kompetent adressieren können.
  • Dabei helfen, Kulturproblematiken, diesbezügliche Stärken und Schwächen sowie resultierende Potenziale zu identifizieren, zu analysieren, zu benennen und bei den Entscheidern zu „vermarkten“, also die Erkenntnis der Dringlichkeit des Handelns herbeizuführen.
  • Lernen und uns aneignen, wie man die Kulturthemen der Organisation methodisch fundiert adressieren und entwickeln kann.
  • In unserem direkten Verantwortungsbereich Verstöße gegen unsere (vereinbarten) Werte nicht dulden und sanktionieren. Sich von destruktiven, kulturlosen Rabauken trennen oder zumindest deren Macht und Wirkung massiv einschränken.

Viel Spaß und Erfolg bei Ihrer Arbeit als Kulturschaffende.

Glück auf!

Digitale Ökonomie – Zwischen Leugnen und Abhängigkeit

Chart

Wenn ich so höre und sehe, welche technischen Möglichkeiten uns heute real und zukünftig absehbar zur Verfügung stehen, muss ich staunend erkennen: Die Science Fiction meiner Jugend ist unerwartet früh und umfassend zum Alltag geworden. Doch der Reihe nach.

Die Menschheitsgeschichte ist voller zivilisatorischer Meilensteine. Zwischen der ersten Nutzung des Feuers bis zur Satellitensteuerung von autonomen landwirtschaftlichen Großgeräten haben wir uns einiges einfallen lassen, was es uns überhaupt ermöglicht, mit acht Milliarden Individuen diesen Planeten zu bevölkern. Und nun sprechen wir über die vierte industrielle Revolution, in Deutschland sprachmodern Industrie 4.0 genannt.

Grundlage der Industrie 4.0 ist das Internet der Dinge oder IoT (Internet of Things). Dahinter steht letztlich, dass alles mit allem vernetzt werden kann. Sehr verkürzt gesagt basiert die Industrie 4.0 darauf, Produkte und Maschinen miteinander zu selbstgesteuerten, also autonomen Fertigungssystemen zu vernetzen. So entstehen hochflexible, sehr effiziente Fabriken, die in Losgröße Eins eine enorme Variantenvielfalt produzieren können. Selbst im späteren Betrieb bleibt das Produkt online und liefert Felddaten an die Entwicklung. Ich wollte erst an die Entwickler sagen, aber wer weiß bis zu welchem Grad der Mensch bald auch in der Entwicklung durch technische Systeme ersetzt sein wird. Das ist wirklich sehr verkürzt dargestellt. Inzwischen gibt es viele Veröffentlichungen zur Industrie 4.0 und die DGQ hat für Sie eine Liste von Links [1] zusammengestellt, unter denen Sie sich vertieft damit befassen können. Auch haben wir, die DGQ, selbst begonnen, das Subthema Qualitätssicherung 4.0 zu erschließen.

Chancen und Risiken

Ich möchte nun auf folgendes hinaus. Zum einen basiert die Industrie 4.0 und darüber hinaus die digitale Ökonomie, die ja nicht nur die Produktion, sondern gerade auch die Dienstleistung erfasst, auf der Nutzung großer Datenmengen, den vielzitierten Big Data. Und damit haben wir ein offensichtliches Problem, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber z.B. den USA und China massiv beeinträchtigt. Zum anderen kommen durch die digitale Ökonomie und die technischen Entwicklungen gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen, ja sogar Verwerfungen auf uns zu, für die wir nicht einmal den Ansatz von Lösungen parat haben.

Wer in Deutschland den Begriff Big Data in die Diskussion einbringt, erzeugt innerhalb Sekunden den Bezug zum Thema Datenschutz. Damit ist dann der weitere Verlauf vorherbestimmt, die Sorge um den Missbrauch der eigenen persönlichen Daten wird Thema, die Entrüstung über die offensichtlich jeglicher demokratischen Kontrolle sich entziehende NSA. Dann sprechen wir über unsere Sorgen und Ängste, Entrüstung bricht aus und es bleibt ein mulmiges Gefühl. Wie fatal verkennen wir, dass in Big Data viele Chancen liegen, dass es mehr und mehr die digitalen Geschäftsmodelle sind, die sich am Markt durchsetzen. Sie basieren auf der klugen Nutzung vorhandener Daten. Es entstehen neue, wertvolle Dienstleistungen und Produkte. Dabei wird zunehmend klar, dass die Datenbesitzer die größten Hebel der Wertschöpfung besitzen und die jahrhundertelang, die Ökonomie bestimmenden Produzenten der Hardware zur austauschbaren Dienstleistern degradieren. Wie sorgen uns gleichzeitig um den Datenschutz und nutzen selbst innbrünstig die neuen Dienste. Darüber hinaus müssen wir erkennen, dass Ernährung, Gesunderhaltung, Administration, Kleiden und Entertainment einer weiter wachsenden Weltbevölkerung ohne Big Data nicht zu leisten ist. Die Nutzung von Big Data ist für eine Menschheit dieser Größenordnung bei schrumpfenden Ressourcen existenziell. Nur wenige sich von den anderen abschottende Reiche, können sich den Luxus leisten und viele sehr Arme sind dazu gezwungen, naturnah auf moderne Technik zu verzichten.

Andererseits wird die technische Entwicklung hin zum millionenfachen Ersatz körperlicher Arbeit durch Roboter und geistig kreativer Arbeiter durch künstliche Intelligenz (KI) zum Verlust vieler Millionen Arbeitsplätze weltweit führen. Glauben Sie nicht? Ja, das wollen wir nicht wahrhaben.  Aber das Leugnen dieser absehbaren, unaufhaltsamen Entwicklung wird sie nicht verhindern.

Unaufhaltsam ist sie, weil sie technisch möglich ist und die Produktivität steigern wird und Arbeitskosten verbilligt. Denn Roboter und Automaten machen keine Pausen und Ferien außerdem verlangen sie keinen Lohn. Noch nie in der ganzen Menschheitsgeschichte hat jemand oder eine Gesellschaft eine solche Entwicklung langfristig aufgehalten.

Ich will mich selbst hier einer politischen Bewertung enthalten. Ich sehe aber, dass sich kluge Menschen Gedanken über diesen sozialen Wandel machen und wir eine gesellschaftliche Diskussion darüber ausgiebig führen müssen. Beispiele für innovative Ideen sind das bedingungslose Grundeinkommen oder die Besteuerung von Robotern und Systemen künstlicher Intelligenz und der Einsatz dieser Mittel für die Menschen.

Was hat das mit uns zu tun?

Alles schön und gut, was hat das mit der DGQ zu tun, was haben Sie als Qualitätsmanagerin, Qualitätsmanager oder in anderer Qualitätsfunktion mit der digitalen Ökonomie zu tun?

  • Die von uns, die Mitglied der Leitung sind, oder die Leitung strategisch beraten, müssen darauf achten, dass ihr Geschäftsmodell für die digitale Ökonomie tauglich ist.
  • Wir müssen Big Data zur Qualitätssteuerung einsetzen und erkennen, dass wir eine nie erahnte Transparenz über Qualitätslage in der Fertigung, Einsatzbedingungen und Feldperformance unserer Produkte erhalten. Dazu müssen wir lernen, aus Big Data Smart Data zu machen.
  • Die Auswertung der Kommunikation in sozialen Netzen liefert uns weitreichende Erkenntnisse über Kundenanforderungen und Kundenverhalten.
  • Wir müssen Möglichkeiten der Simulation schaffen und nutzen, um teure und langwierige Freigabe- und Lernphasen zu verkürzen und zu verbessern.
  • Wir müssen uns mit all den technischen, organisatorischen und ökonomischen Möglichkeiten der digitalen Welt vertraut machen und resultierende Lösungen in alle Aspekte unserer Arbeit einbringen, um ihre Qualität und Effizienz zu steigern.


Nicht zuletzt müssen wir uns eingehstehen, dass ein Verleugnen der Entwicklungen der digitalen Ökonomie oder ihrer Wirkungen auf mein Unternehmen und mich persönlich, uns beide dem Risiko aussetzt, dass wir unaufhaltbar ins Abseits geraten. Über unsere Sorgen dürfen wir dabei nicht hinweggehen, aber wir dürfen uns darin nicht suhlen, sondern müssen uns mit den Chancen auseinandersetzen. Wie wir gesellschaftlich in der neuen Welt bestehen werden, steht dabei noch auf einem anderen Blatt. Hier müssen wir als Staatsbürger und Wähler daran mitwirken, dass der anstehende gesellschaftliche Change für viele eine Verbesserung herbeiführt. Diesen Change zu gestalten wird eine globale, gesellschaftliche Mammutaufgabe sein.

Liste mit Links zur Vertiefung

Qualitäter raus aus dem Hamsterrad – arbeiten Sie an und nicht in der Organisation!

Zahnrad

Wenn ich so höre und sehe, wie reaktiv Qualitätsmanager und QMBs inzwischen arbeiten, dann wird mir angst und bange. Feuerwehraktionen, kurzfristig einberufene Meetings und Reisen, kurz um, viel Reaktionismus – die Woche ist kaum noch planbar. Bestehende Planungen werden täglich über den Haufen geworfen. Daraus folgt aber, dass uns kaum noch Zeit und die notwendige Muße (ja Muße, ich meine das wirklich so) bleiben, konzeptionell, systemisch, nachhaltig, vorausschauend zu arbeiten. Gerade wir, die Systemverantwortlichen, verschleißen und verheddern uns allzu oft am und im Detail, arbeiten uns am Problem des Tages, dem Fehler der Stunde ab. Haben wir damit Erfolg? I wo, wir tragen nur dazu bei, dass Führungskräfte, Prozesseigner, Mitarbeiter jegliche Qualitätsthematik nicht aus eigener Initiative, mit eigenen Ressourcen und eigenen Lösungsansätzen angehen. Viel einfacher ist es, die Q-Feuerwehr zu rufen. Bringt mich irgendwo hin, ich werde überall gebraucht, scheint das Motto vieler Qualitäter zu sein.

Wir müssen mehr an und weniger in der Organisation arbeiten. Wir müssen den Kollegen in den Prozessen eine echte Chance geben, aus ihren Fehlern zu lernen und ihnen die vollständige, umfassende, alleinige Verantwortung für Fehler, Fehleranalyse, Fehlerkorrektur und Fehlerprävention geben. Wir nehmen ihnen das zu früh ab, weil wir es können, ja sehr gut können. Wir konnten Fehlerreduktion lernen, in Theorie und in der Praxis, wurden immer besser darin. Das haben natürlich die Kollegen gemerkt, lehnen sich zurück und – rufen die Tatortreiniger von der Q-Truppe. Aber was soll denn unsereRolle sein, wenn wir das Fehler- und Problemmanagement an die Prozesseigner zurückdelegieren? Wir müssen systemische Voraussetzungen für eine hohe Qualitätsfähigkeit der Organisation schaffen. Dazu gehört auch, ihre Selbstheilungskräfte zu identifizieren und zu stärken. Noch einmal, wir müssen an, nicht in der Organisation arbeiten.

Wir müssen Coaches sein, die den Kollegen helfen, Selbstverantwortung für Qualität kompetent zu übernehmen. Dazu müssen wir aushalten können, dass die Kollegen Fehler machen, Lösungen zunächst nicht erkennen, ohne selbst sofort einzuschreiten. Das zerreißt einige von uns fast, aber nur so entstehen lernende Organisationen und gute Qualitätskulturen. Selbstverantwortung schafft Selbstverantwortung, selber lernen macht schlau. Da muss sich der Besserwisser auch mal auf die Zunge beißen, da kann der Qualitäter nicht für alle erkennbar zum Helden werden. Uns bleibt die stille Freude, wenn es dann mit der Zeit klappt mit der Eigenverantwortung für Qualität und Fehlervermeidung, um den Preis, dass die Kollegen uns sagen, dass sie uns dafür nicht mehr brauchen. Die Organisation braucht uns ja weiterhin. Als besonnene, vorausschauende Organisationsentwickler, die die Qualitätsfähigkeit systemisch steigern helfen. Aber nicht als Feuerwehrleute oder Tatortreiniger. Wer in seinem Verantwortungsbereich ein Feuer entdeckt – oder von anderen gezeigt bekommt – muss es selber löschen.

So, und mit der gewonnen Zeit, machen Sie was Tolles. Lesen Sie über Industrie 4.0 oder digitale Geschäftsmodelle. Machen Sie eine Fortbildung zum Coaching. Entwickeln Sie gemeinsam mit Leitung und Führungskräften Konzepte für die Verbesserung der Ergebnis- und Qualitätsfähigkeit der Organisation. Bereiten Sie sich auf die Revision der ISO 9001 vor, die so klasse unternehmerisch ist und auf viele überkommene Forderungen verzichtet. Gehen Sie mal pünktlich zum Dienstschluss nach Hause und gehen Shoppen mit Ihrem Sohn oder spielen Fußball mit Ihrer Tochter. Machen Sie doch, was Sie wollen – wenn’s dem Unternehmen langfristig nützt und Ihrer Gesundheit zuträglich ist.

Glück auf!

The Transformation towards the future Quality Manager

Der Qualitäten-Manager – Ein Gedicht

Dr. Sommerhoff

Anlässlich des Kamingesprächs „Made in Quality – Quo Vadis QM“ im DGQ Regionalkreis Ruhgebiet, Bochum hat Dr. Benedikt Sommerhoff am 11.11.2011 folgendes Gedicht vorgetragen:

Der Qualitäten-Manager

Der Qualitäten-Manager
versteht doch jetzt die Welt nicht mehr.
Die Führung, die erhört ihn nicht,
wenn er über sein Thema spricht.
Und falls er mit der ISO droht,
verspürt doch keiner mehr die Not.
Doch wann hat er zum letzten Mal,
gespürt, wie Führung spürt die Qual,
die hohen Ziele zu erreichen,
und lässt sich dann auch mal erweichen,
nun seine Hilfe anzutragen.
Und seine Führung mal zu fragen,
was kann ich denn für gute Sachen,
zu eurer Unterstützung machen.
Dass ihr erreicht das hohe Ziel.
QM leistet dafür ganz viel.
Dann ist auch klar, was auch ist Recht,
wer ist der Herr und wer der Knecht.